Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
jemanden getroffen. Und dann preschte Mutter heran …«
»Still!« Er täuschte sich nicht, Mutter fiepte herzerweichend. »Mutter!«
Sie fanden sie im Gebüsch nahe der Gartenlaube, auf der Seite liegend, alle viere von sich gestreckt. Gabriel strich dem Tier über die Flanke, der Hund heulte auf. Das war doch … Er zog die nasse Hand zurück und roch daran. Blut! Mutter war angeschossen. »Wir brauchen einen Notarzt«, schrie Gabriel. »Los, hast du dein Handy?«
»Den Notarzt? Für einen Hund?«
»Nun mach schon.«
Da arbeitete man bei der Kripo und wusste nicht, welche Nummer man wählen musste, um einen Rettungswagen für einen Hund zu bestellen. Gabriel presste die Hand gegen die Wunde, bildete sich ein, die Blutung so zu stoppen.
»Chef, hier läuft eine Irre herum, vermutlich unsere Mörderin, und ist noch bewaffnet. Wir müssen …«
»Ich muss mich um Mutter kümmern. Ich lass sie doch hier nicht einfach verbluten.« Wann war er zuletzt so konfus gewesen?
»Ist mein Wagen hier geparkt?«
»Beim Hotel.«
»Mist. Bleib du hier bei ihr, ich hole im Haus Hilfe. Irgendwer hat sicher ein Auto.«
»Sei vorsichtig.«
»Selber.«
Sie ließ ihn allein zurück mit seiner Hilflosigkeit und dem verzweifelten Wunsch, das treue Tier zu tätscheln und zu trös ten. Kurz darauf flammten Lichter in der Villa auf. Ein Fenster wurde geöffnet, Stimmen drangen heraus, Zeichen, wenn nicht von Professionalität, so wenigstens von Geschäftigkeit.
Und dann hörte er noch ein Geräusch, ein paar Schritte von sich entfernt. Im Gebüsch stöhnte ein Mann und bat flüsternd um Hilfe.
12.
Es war morgens um fünf, und die Welt war nicht in Ordnung, aber dank der Sturheit des Kommissars etwas weniger in Unordnung, als es auch hätte der Fall sein können. Er hatte Mutter in eine Tierklinik in Starnberg gebracht und nichts davon wissen wollen, als der Tierarzt den Vorschlag machte, den Hund sofort einzuschläfern. Stattdessen hatte Wolf Gabriel darauf bestanden, dass die Hündin operiert wurde. Das waren sie dem Tier schuldig: Es hatte sich den Streifschuss bei dem tapferen Versuch eingefangen, den bereits angeschossenen Martin Sonnleitner vor einem zweiten – vielleicht tödlichen – Schuss zu bewahren. Inzwischen war die Kugel entfernt, der Labrador würde sich erholen. Von wegen, »Sie können sich doch jederzeit einen neuen Hund kaufen …« Und so was nannte sich Tierarzt! Es gab schon unglaubliche Leute.
Auch Martin Sonnleitner war in eine Starnberger Klinik gebracht worden. Bei ihm hatte niemand den Vorschlag gemacht, den Mann lieber ins Jenseits zu befördern, anstatt ihn zu operieren.
Und nun saßen sie im Kaminzimmer beisammen, eine kleine, benommene Runde: Sandra Berger, »Gräfin« Goschi, Verena Heise, die angab, durch das Stimmengewirr aus dem Schlaf gerissen worden zu sein, und Kommissar Gabriel, den ein Taxi gerade erst aus Starnberg in die Villa zurückgebracht hatte. Die Hausherrin hatte einen starken Kaffee gebraut und dazu einen guten Cognac sowie »Auszogene« auf den Tisch gestellt, ein mit Puderzucker bestreutes Schmalzgebäck, das sie in der Mikrowelle aufgebacken hatte. Dem Cognac sprach die gute Frau Goschmann freilich als Einzige zu.
Sandra war sich sicher, dass die Person, die in der Dunkelheit geschossen hatte, noch irgendwo im Haus sein musste. Und sie schien sich auch sicher zu sein, dass die beiden anwesenden Damen nicht verdächtig waren – sonst hätte sie Gabriel wohl ein Zeichen gegeben.
»Die muss sich hier irgendwo verstecken«, sagte Sandra.
»Und du bist sicher, sie nicht beim Abendbrot gesehen zu haben?«
»Absolut. Sie war deutlich jünger.«
»Es könnte sich um Zenzi handeln«, sagte Gräfin Goschi. »Zenzi haben Sie ja nicht kennengelernt.«
»Ist diese Zenzi eher dick oder dünn?«, fragte Sandra und guckte Wolf Gabriel an. »So, wie du sie beschrieben hast, hab ich mir sie als eine Dünne vorgestellt. Die Frau vorhin war eher kräftig.«
»Dann ist sie es nicht«, sagte Goschi. »Zenzi ist schon etwas untergewichtig.«
»Magersüchtig«, bestätigte Verena Heise.
»Ich glaub, ich weiß, wen wir suchen.« Wolf Gabriel ging plötzlich ein Licht auf. »Und ich weiß, wo sie steckt.«
Er fixierte Verena Heise. »Nur Ihre Rolle bei dem Ganzen ist mir noch unklar.«
»Wie bitte?«, sagte Verena Heise. Auch zu dieser unchristlichen Stunde ließ sie nichts an Eleganz und Haltung vermissen. »Wovon reden Sie?«
»Ich rede von Joseph Hundingers Tochter«, sagte
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