Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
Zimmer ist sie nicht.«
»Wir haben auch auf dem Balkon nachgeschaut«, ergänzte die Hausherrin, die Sandra dicht auf den Fersen folgte. Beide hatten im Flüsterton gesprochen, Goschi dennoch mit ziemlich durchdringender Stimme. Sie sah nervös aus. »Sie wird doch nicht etwa in eins der anderen Gästezimmer geschlüpft sein? Nicht, dass da noch jemand … ich meine, nicht auszudenken …«
Und dann wusste Gabriel es plötzlich. Die zweite Erleuchtung in dieser Nacht – oder war es bereits die dritte? Er wollte sich mit der Hand an die Stirn schlagen, hatte aber vergessen, dass er noch die Sig Sauer im Anschlag hielt, und fuchtelte einen Moment bedrohlich mit der Waffe vor Sandras Nase herum. Ihr gedämpftes »Vorsicht, Chef!« hätte sie sich freilich sparen können.
»Bin ich dumm. Sie ist bei Frank Bischoff. Das Maderl, aber natürlich! Welches Zimmer hat er, Frau, äh … Goschi?«
Goschi machte auf dem Absatz kehrt und huschte voran, die anderen folgten ihr so lautlos wie möglich die Treppe hin unter. In einem Seitenflur im ersten Stock blieb Goschi stehen und deutete auf eine Tür am anderen Ende des Ganges.
»Dort drüben«, flüsterte sie.
»Sie halten sich zurück«, bestimmte Gabriel. »Komm, Sandra.«
Und dann folgte ein Einsatz, wie ihn die Villa Undine in ihrer über hundertjährigen Geschichte noch nicht gesehen hatte. Wolf Gabriel warf sich nach allen Regeln der Kunst gegen die Tür, dass das alte Schoss nachgab, und Sandra und er stürmten mit vorgehaltenen Waffen ins Zimmer und riefen: »Keine Bewegung!« und »Hände hoch!« und »Polizei!«. Unter der Bettdecke tauchte ein völlig verdatterter Frank Bischoff auf, der auch sogleich die Hände hob, und neben ihm wachte eine junge Frau auf, die sich suchend nach ihrer Handtasche umsah und dann feststellte, dass sie keine Chance hatte, ungehindert an die Tasche zu gelangen. Und dann schälten sich beide aus dem Bett, und Gabriel erlaubte ihnen, sich etwas anzuziehen, und signalisierte Sandra, dass sie jetzt die Kollegen herbeitelefonieren dürfe. Sollte Fightlinger doch die Drecksarbeit machen und sich seine Sporen verdienen, indem er Protokolle aufsetzte; er selbst wurde hier nicht mehr gebraucht.
Den Rest des Tages verbrachte Wolf Gabriel am Krankenbett seines Hundes. Das Tier war außer Lebensgefahr, würde aber noch ein paar Tage in der Klinik bleiben müssen. »Erst einmal schläft sie sich gesund«, hatte die Veterinärassistentin gesagt. Ab und an lief ein Zittern durch Mutters Körper und jagte Gabriel jedes Mal einen Schrecken ein. »Ich bin in Gefahr«, dachte er dann. Seltsam, dieser Traum mit seiner Mutter. Er hatte ja immer gesagt, die Hündin sei die Reinkarnation seiner alten Dame, aber das war doch nur Spaß gewesen. Oder vielleicht auch nicht?
Sein Handy fing an zu vibrieren, und aus seiner Hosentasche erklangen Zithertöne. Um den Hund nicht zu stören, stand er auf und nahm das Gespräch auf dem Flur an. Es war Sandra.
»Sie hat gestanden, Chef. Machte erst auf abgebrüht, ist aber eigentlich ein ganz braves Mädchen. Traurige Geschichte. Offenbar ist die Familie vor ein paar Jahren ausei nandergebrochen, und das scheint sie aus der Bahn geworfen zu haben. Der Großvater und Frau Heise hatten tatsächlich nichts mit der Sache zu tun, und dieser Frank Bischoff wusste auch nichts.«
»Hat Bettermann denn ihr Gebiss auch verhunzt?«
»Nein, sie wollte sich wegen ihres Großvaters rächen. Und außerdem ist sozusagen ihr ganzes Erbe für diese Pfuscharbeit draufgegangen. Als sie von ihrem Opa hörte, dass er seinen alten Zahnarzt hier wiedergetroffen hatte, hat sie sich auf einen Ferienjob in der Nähe beworben.«
»Und mit Frank Bischoff angebandelt, um Zugang zur Villa zu bekommen?«
»Haargenau. Und dann hat sie eine günstige Gelegenheit abgewartet. Dazu gehört auch das Terzerölchen; ursprünglich hat sie ihn wohl erstechen wollen. Aber so war es ›praktischer‹, wie sie sich auszudrücken beliebte.«
»Aber warum Martin Sonnleitner? Der kann doch nichts für Bettermanns Arztfehler?«
»Nein, aber Sonnleitner erbt Bettermanns Vermögen. Das iPad hat er schon an sich genommen. Übrigens, Chef, du wirst lachen, da sind jede Menge E-Books drauf. Bettermann war nämlich eine große Leseratte, sehr kultiviert.«
Und wenn schon! »Das gibt trotzdem keinen Sinn, Sandra. Selbst wenn die Hundinger mit ihrem Mordversuch an Sonnleitner erfolgreich gewesen wäre, von ihm erbt sie doch nichts.«
»Nein, aber dann hätte
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