Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
unterdessen mit Mutter kommunizierte. Am anderen Ende der Leitung hörte sie die Hündin leise fiepen. Sie lachte. »Vorsicht, Chef, ich dachte, du redest mit mir.«
Als Kommentar bellte Mutter einmal laut auf.
Sandra wurde wieder ernst. »Das Kichern verdankte Frau Schmidhuber übrigens einem Lachflash. Offenbar wohnt hier ein Kiffer im Haus, dieser … Moment …«, sie besann sich auf den Namen, »Oliver Niewöhner oder so, und von dem hat sie anscheinend was abgezweigt. Und er war den ganzen Tag depressiv, weil er nichts mehr zu rauchen hatte.«
»Okay, danke«, sagte Gabriel. »Halt weiter die Augen offen. Alles kann eine Bedeutung haben, muss aber nicht.«
»Logisch, Chef. Gibt’s einen Plan für morgen?«
»Du ermittelst deine Vorleben, und ich melde mich, wenn was anliegt.« Er machte eine Pause. Dann sagte er in dem weichen Ton, in dem er auch mit seinem Hund gesprochen hatte: »Sei vorsichtig, Sandra.«
»Gute Nacht, Chef. Meinem Fuß geht’s übrigens besser, danke für die Anteilnahme.«
»Freut mich zu hören. Manchmal muss man ganz schnell weglaufen können. Vor allem als junge Polizistin.«
»Wieder was gelernt«, sagte Sandra fröhlich. »Aber mach dir keine Sorgen um mich. Notfalls ballere ich mir den Weg frei.«
9.
Kurz nachdem Sandra das Telefonat mit Wolf Gabriel beendet hatte, klingelte ihr Handy erneut. Es war Maximilian Veitlinger, der sich nach ihrem Befinden erkundigte und speziell dem verknacksten Knöchel. Im Laufe des Gesprächs, in dem die Fachsimpelei der beiden immer wieder durch einen munteren Nord-Süd-Schlagabtausch aufgelockert wur de, steigerte sich Sandras Wohlergehen erheblich, mit dem Resultat, dass sie nicht mehr die geringste Spur von Müdigkeit verspürte, als sie sich schließlich schlafen legte. Ihr Gehirn lief auf Hochtouren. Stammten diese seltsamen Geräusche allesamt aus dem Inneren ihres Kopfes, oder knackte es vielleicht doch im Gebälk?
Ein altes Haus wie die Villa Undine beherbergte offenbar so manche Geister, und zwar nicht nur solche der Vergangen heit, sondern auch solche der Gegenwart und der Zukunft. Und sie beherbergte wohl auch so manches unbekannte Getier. Da war ein Schaben und Schleifen, ein Klopfen und Pochen, ein Sägen, Trippeln und Rascheln, dann wieder Schabegeräusche. Jede Menge Laute, die nicht einzuordnen und daher Furcht einflößend waren, jede Menge Unheimliches, gegen das eine Sig Sauer nichts nützte. Sandra probierte es mit der Methode des Schäfchenzählens, kam aber nicht weit, da sich erst das Bild des braun gebrannten Maximilian Veitlinger zwischen die Schäfchen schob und dann das Bild einer sehr weißen Gräfin Goszinny. Sie hielt eine kleine Damenpistole in der Hand und erklärte Sandra den Mechanismus.
»Hiermit wurde einst Friedrich Ferdinand erschossen, der hoffnungsvolle junge Spross des Hauses«, rief die Gräfin und wollte sich schier ausschütten vor Lachen. »Eine Damenpistole, deshalb dachten alle, ich wäre es gewesen. Dabei weiß ich gar nicht, wie solch ein Ding funktioniert. Ich bin nur verliebt in den Namen.«
Im nächsten Moment ging das Schaben und Pochen unter den Dielenbrettern plötzlich über in das Geräusch gleichmäßig marschierender Schritte. Eine ganze Armee mit Nagelstiefeln stampfte im Gleichschritt durch den Raum und über Sandra hinweg, die mit offenen Augen im Bett lag. Aber Sandra träumte nicht, sie war hellwach. Und in die martialischen Tritte hinein kicherte Gräfin Goschi und skandierte im Takt: »Terzerölchen, Piss-Pistölchen, Terzerölchen …«
Für alle Fälle entsicherte Sandra ihre Sig Sauer.
dritter TEIL
10.
Wolf Gabriel hatte kein gutes Gefühl dabei, Sandra allein in der Villa Undine zu wissen. Sie war eine tüchtige junge Kollegin und würde es noch weit bringen, daran hatte er keinen Zweifel. Aber ebenso wusste er, dass sie jetzt im gefährlichsten Alter war. Gerade so erfahren, um sich selbst zu überschätzen und zum Leichtsinn zu neigen. Und noch naiv und unerfahren genug, um – tja, zum Leichtsinn zu neigen! Hoffentlich brachte sie sich nicht in Gefahr, indem sie auf eigene Faust irgendetwas trieb, was sie Undercover-Ermittlung nannte. Wenn ihr etwas zustieße, wäre es seine Schuld.
Besondere Sorge machte ihm, dass der Schlüssel zu Konrad Bettermanns Zimmer außen im Türschloss gesteckt hatte. Hoffentlich hatte Sandra daran gedacht, ihn an sich zu nehmen und das Zimmer von innen abzuschließen. Andernfalls wäre sie jedem ausgeliefert – preisgegeben, dachte
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