Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
irgendjemanden gäbe, der für diese Sache geeigneter wäre als Sie. Aber es gibt ihn nicht.«
Mit Schmeicheleien war Gabriels Gunst nicht zu gewinnen. Er sah auf die Uhr. »Es gibt immer jemanden, der geeigneter ist, Herr Baumgartner. In einer guten Stunde sollte ich am Flughafen sein. Also, haben wir es? Ich muss los.«
Das fröhliche Schweinsgesicht des LKA -Beamten wurde auf einmal düster. »Sie verstehen nicht, Kommissar. Ich brauche Sie wirklich! So dringend wie nie zuvor! Es geht um eine Sache, zu der ich auf keinen Fall einen unserer eigenen Leute schicken kann. Unmöglich. Es muss jemand sein, der von außerhalb kommt. Ich appelliere an Ihre Hilfsbereitschaft! An Ihre Kollegialität! An Ihren Patriotismus!«
Natürlich hatte nichts davon gewirkt. Dann allerdings verstieg sich der Kriminalrat zu einer Drohung, die Gabriel dann doch einlenken ließ. Plötzlich war von unehrenhafter Entlassung aus dem Polizeidienst, Entzug aller Pensionsansprüche und vor allem von weiteren Monaten hier in München die Rede. Gabriel stöhnte entnervt auf. »Also gut, Herr Baumgartner. Dieses eine Mal noch. Worum geht es denn überhaupt?«
Die Informationen, mit denen der Kriminalrat ihn und die inzwischen dazu gestoßene Sandra versorgte, waren allerdings mehr als dürftig. Ein Toter auf einer Almhütte, wahrscheinlich ein Unfall, noch allerdings sei alles unklar …
»Gehen Sie hin und verschaffen Sie sich ein Bild! Am allerwichtigsten aber ist, dass der Fall mit absoluter Diskretion behandelt wird. Nichts darf nach außen dringen, sonst ist mit einer Krise schlimmsten Ausmaßes zu rechnen. Haben Sie noch Fragen?«
Gabriel verdrehte die Augen. »Nur eine einzige: Muss das denn wirklich sein?«
Ja, es musste. Und darum waren Hauptkommissar Wolf Gabriel und Sandra Berger nun, nur gute zwei Stunden nach dieser mysteriösen Unterredung, auf dem Weg zu einem Tatort, der schwieriger zu erreichen war als jeder zuvor in Gabriels beruflicher Laufbahn.
Ihr Ziel war eine Alpenhütte in über zweitausend Meter Höhe, knapp unterhalb der Dreitorspitze inmitten des Wettersteingebirges gelegen. Zu allem Überfluss mussten sie zu Fuß und ohne jede Hilfe aufsteigen. Ein Hubschrauber hatte sie zwar direkt vom LKA nach Garmisch gebracht, aber eben nicht bis auf den Berg. Alles viel zu auffällig! Was, wenn die Presse davon Wind bekommt – das wäre eine Katastrophe! Nein, sie mussten sich allein und inkognito an den Aufstieg machen, getarnt als ganz normale Bergwanderer.
»Himmel, Arsch und Zwirn«, konnte Wolf Gabriel dazu nur immer wieder sagen. Und zwar so laut, dass es über die Hänge der wunderschönen Landschaft hallte.
Erst vier Stunden später und auf knapp neunzehnhundert Meter Höhe durften Gabriels geschundene Füße endlich eine Rast einlegen. Stöhnend und fluchend erreichte der Kommissar das Schachenhaus, wo ihn seine gut gelaunte Assistentin schon erwartete.
Das Schachenhaus war eine bewirtschaftete Hütte, die aus dem 19. Jahrhundert stammte und in der bayerischen Geschichte eine ganz besondere Rolle spielte. Wenige Meter oberhalb davon lag nämlich das sogenannte Königshaus, ein zweistöckiges Holzgebäude, das im Inneren mit jeder Menge Prunk und Protz aufwartete. Ludwig II., der Lieblingskönig der bayerischen Eingeborenen, hatte sich in seinem Schachenschloss orientalischen Träumen wie aus Tausendundeiner Nacht hingegeben.
Sandra hatte den Kommissar schon in der Partnachklamm hinter sich gelassen und war mit schnellen Schritten vorausgegangen. Ihr Chef hatte ihr zwar ein wenig leidgetan, wie er sich da schlecht gelaunt und brummelnd den Berg hinaufquälte. Aber bei aller Liebe, sein ständiges Fluchen und Nörgeln hatte sie einfach nicht mehr ertragen. Nun saß sie auf einer Holzbank vor dem Gasthaus, saugte am Strohhalm einer Flasche Almdudler und genoss mit geschlossenen Augen die wärmende Sonne.
Vor ihr stand ein leer gegessener Teller, auf dem Gabriels kulinarisch geschulter Blick schon aus der Entfernung die letzten Krümel einer bayerischen Brezel – hier aus unerfindlichen Gründen »Brezn« genannt – sowie Reste einer Bratwurst entdeckte.
Sein Magen meldete sich laut knurrend. Eine zünftige bayerische Mahlzeit wäre jetzt genau das Richtige. Denn wer wusste schon, wann es das nächste Mal etwas Anständiges auf dem Teller gab?
In diesem Moment öffnete Sandra die Augen und entdeckte ihren Chef. »Huhu, Wolf! Hier vorne sitze ich!«, rief sie ihm zu.
»Ja, ja, ich komme ja schon.«
Ihm
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