Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
damals auch beschlossen, die gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe nicht aufzuklären, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre zu beweisen, dass man ihn gelinkt hatte. Lieber hatte er sich in den Archivkeller abschieben lassen. Doch wenn erst einmal die interne Ermittlung eingeschaltet wurde, bestand die Gefahr, dass noch andere Dinge ans Licht kamen. Dinge, die durchaus geeignet waren, seine Pension zu gefährden. Allein dieser Familienvater, dem er unschöne Dinge angedroht hatte, wenn er seinen Sohn weiterhin malträtierte, und den zwei gebrochene Finger davon überzeugt hatten, sich nicht an Gabriels Kollegen zu wenden. Und dann die zwanzigtausend Euro, die er aus dem Handschuhfach eines Zuhälter-Lotus hatte mitgehen lassen. Gut, er hatte sie einer Prostituierten zugesteckt, die sich dafür die von ihrem Luden eingeschlagenen Zähne richten ließ. Aber er hatte keine Ahnung, ob er sich, wenn es darauf ankam, auf die Verschwiegenheit der Dame wirklich verlassen konnte.
Am Odeonsplatz stiegen sie um und fuhren bis zur U-Bahn-Station Prinzregentenplatz. Dort schlenderten sie die Mühlbaurstraße entlang, während Sandra über die Kartenfunktion ihres iPhones den Weg ablas. Sie unterbrach, als ein scharfer Pfeifton den Eingang einer SMS signalisierte. Vielleicht von Max Veitlinger? Das schloss Gabriel jedenfalls aus dem Lächeln, das plötzlich über Sandras Gesicht huschte.
Das Haus, in dem Peter Berkens gewohnt hatte, war ein schmuckloser Bau aus den Siebzigern, dessen architektonische Einfallslosigkeit auch die neu aufgebrachten Dämmplatten nicht abmildern konnten. Der Klingelleiste nach zu urteilen wohnten acht Parteien in dem Haus. Gabriel klingelte bei »Berkens«, und kurz darauf ertönte ein Türsummer.
Oben stand ein Mann in der Wohnungstür und stellte sich als Joe Karpach vor. »Ich bin ein Freund der Familie«, sagte er.
»Ein Arbeitskollege des Verstorbenen?«, fragte Gabriel.
»Nein, ich beschäftige mich mit Ökosystemen«, sagte er und bat sie herein. Die Haare standen ihm struppig vom Kopf ab, sein Gesicht war aschgrau. Gabriel schätzte ihn auf Anfang dreißig.
»Wir haben Sie erwartet«, sagte er und führte Gabriel und Sandra ins Wohnzimmer. Mutter sah sich neugierig um, brummte kurz und legte sich sofort vor den Fernseher.
Friederike Berkens blickte nur kurz nacheinander zum Hund, zu Gabriel und Sandra. Um sofort wieder in gekrümmter Haltung zurück aufs Sofa zu fallen.
»Ich kann den Hund auch draußen anleinen«, bot Gabriel an.
»Nein, nein, ist schon gut«, sagte sie und warf Mutter ein mühsames Lächeln zu.
»Meinen Sie, Sie können uns ein paar Fragen beantworten?«, fragte Sandra.
Die Frau nickte und trank einen Schluck aus dem Becher, der vor ihr stand. Der Farbe nach war es grüner Tee.
»Haben Sie einen Verdacht, wer Ihren Mann umgebracht haben könnte?«, fragte Wolf Gabriel. Sein direkter Vorstoß trug ihm einen bösen Blick von Sandra ein.
Friederike Berkens schüttelte stumm den Kopf. Auch als Gabriel Joe Karpach ansah, zuckte der nur mit den Achseln.
»Womit hat sich Ihr Mann beschäftigt?«, fragte Sandra.
»Offiziell war er arbeitslos, aber er hat sich mit Brauereitechnik befasst«, sagte Joe Karpach.
»Als Berater, Erfinder, fest angestellt?«, drängte Gabriel.
»Er arbeitete an einem Projekt. Weg vom Industriebier, Wiederbelebung alter Brautechniken mithilfe moderner Ver fahren, Verwendung spezieller Hopfenzüchtungen, besonderer Holzgefäße, veränderte Maischezeiten und so weiter.«
»Da gibt es doch jede Menge Konkurrenten«, bemerkte Sandra.
»Er stand erst am Anfang«, sagte Friederike Berkens. »Es war mehr ein Plan, wissen Sie. Ein Projekt.«
»Hat er von zu Hause aus gearbeitet?«
»So genau weiß ich das nicht, mein Mann war da sehr verschlossen. Ich glaube, er konnte ein Universitätslabor nutzen.«
»Kannte Ihr Mann einen gewissen Karl Erdhammer?«
Erneutes Kopfschütteln.
Nach einer halben Stunde wurde Friederike Berkens plötzlich leichenblass, und ihre Hände zitterten. Sie müsse sich jetzt hinlegen, sagte sie. Gabriel brach die Befragung sofort ab. Joe Karpach bestellte einen Notarzt, während Gabriel und Sandra sich eilig verabschiedeten.
»Viel war das ja nicht gerade«, sagte Gabriel zu Sandra, als sie an einem Biergarten vorbeikamen. Mutter blieb stehen und linste aufmerksam durch das von Efeu umwachsene Eingangstor.
»Ah, wir interessieren uns langsam für die Bräuche der Einheimischen, was?«
Einige Stühle waren von
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