Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
vom Gewicht her hinkommen.«
»Aber du kannst doch nicht …«
Gabriel wuchtete den Block in den Einkaufstrolley und zog ihn die Straße hinauf, in die Richtung, aus der Karl Erdhammer gekommen war. Zumindest hatte es der Zeuge so geschildert.
Nach etwa zweihundert Metern führten ein paar Stufen in eine Seitenstraße. Gabriel sah hinauf und sagte: »Eher nicht.«
»Und wenn er mit dem Bus gefahren ist?«, fragte Sandra.
»Mitten in der Nacht? Das wäre aufgefallen.«
»Aber hier kreuzen jede Menge Straßen, er kann von über all her gekommen sein«, widersprach Sandra.
»Zieh mal ein Stück«, sagte Gabriel und drückte Sandra den Bügel des Trolleys in die Hand. »Man muss ein Gefühl dafür bekommen.«
»Wenn wir so aufgegriffen werden, versetzen die uns zu Heidi und Ziegen-Peter in die Anstalt«, knurrte Sandra.
»Polizeiarbeit ist eben mehr als Flirten mit netten Kollegen und Kaffee schlürfen, während man einem Verhör zusieht.«
»Aber …«
»Aber was?«, herrschte Gabriel sie an.
Sandra schob die Unterlippe nach vorn und schüttelte wütend den Kopf. Wortlos marschierte sie los, während Gabriel laut grübelte: »Was hätte man in Hamburg mit dem Trolley und den Leichenteilen gemacht? Ein paar Ziegelsteine rein, gut verschließen und ab damit in die Elbe oder in die Alster. Aber hier?«
Über eine Stunde zogen sie den Trolley durch die Straßen, wobei Gabriel darauf achtete, sich nicht zu weit von dem Ort zu entfernen, an dem Karl Erdhammer festgenommen worden war. Guberstraße, Dachauer Straße, dann die Karlingerstraße. Vorbei an Häuserblocks, einem kleinen Einkaufscenter und Industriegrundstücken. Es kamen ihnen kaum Menschen entgegen. Ein paar Kinder hopsten mit wippenden Ranzen nach Hause, und ein paar Rentner strebten mit baumelnden Einkaufsbeuteln in einen Supermarkt.
»Da hinten geht’s zum Westfriedhof«, sagte Sandra.
»Ja, da wollte Erdhammer wohl hin«, brummte Gabriel.
»Und ich habe gedacht, wir sind zum Arbeiten hier«, sagte Sandra. »Nicht dass ich was gegen Spaziergänge hätte.«
Gabriels Telefon klingelte, Veitlinger meldete sich. Zwei uniformierte Kollegen hätten die Ehefrau des Getöteten informiert, und ob er, Gabriel, vielleicht mit ihr reden wolle.
»Was ist denn mit eurer Mordkommission II ?«, herrschte Gabriel ihn an. »Ich denke, die leiten die Ermittlungen?«
Veitlinger räusperte sich. »Also, die hängen an einem anderen Fall fest, und da hat …«
»Jetzt aber raus damit«, sagte Gabriel. »Wieso werde ich hier klammheimlich mit den Ermittlungen betraut? Soweit ich mich erinnere, sollte ich bei diesem Bayernausflug lediglich die ermittelnden Kollegen begleiten. Erfahrungsaustausch und so. Eine Art verbeamteter Tourist.«
»Ja, sicher …«
»Was also ist los?«
»Die Kollegen sind tatsächlich mit einem Fall beschäftigt, der absolute Priorität hat. Da geht es um die tote Geliebte eines Politikers, Sie verstehen?«
»Aber deshalb lässt man einen Mordfall doch nicht einfach liegen und wartet, bis er sich erledigt hat. Wir haben eine zerstückelte Leiche, Herrgott nochmal.«
»Was soll ich sagen …«
»Ihre Kollegen sind genauso wenig begeistert von meiner Anwesenheit im bajuwarischen Hoheitsgebiet wie ich selbst. Stimmt’s?«
Veitlinger schwieg ein paar Sekunden. Schließlich sagte er: »Da gibt es schon den ein oder anderen, der meint, Sie sollten sich erst mal die Hörner abstoßen.«
»Na fein«, sagte Gabriel. »Gut zu wissen, woran ich bin.«
»Aber ich bin auch noch da, und ich werde Sie nicht auflaufen lassen.« Veitlinger gab ihm die Adresse der verwitweten Frau Berkens durch.
Gabriel öffnete einen Hauseingang und schob den Trolley samt Hartgummiblock neben zwei dort abgestellte Fahrräder. Dann schlugen sie den Weg zur U-Bahn-Station ein.
Während Sandra im Gehen eine E-Mail in ihr Handy tippte, überlegte Gabriel, wie er nun weiter vorgehen sollte. Oberstes Ziel: Sicherung seiner Pensionsansprüche. Und das hieß, keine Trotzattacke gegen diese alpenländischen Betonköpfe von Kollegen, die ihn auflaufen lassen wollten. Lächeln, mitspielen und dabei dennoch eigene Wege gehen. Wahrscheinlich hielten auch sie den Obdachlosen für den Täter, und ebenso wahrscheinlich glaubten sie nicht, dass er, Gabriel, dem Mann die Mordtat nachweisen konnte. Hörner abstoßen! Er würde es vermeiden, gegen Wände zu rennen. Ein Hamburger Kommissar konnte nötigenfalls sehr geschmeidig sein.
Aus ähnlichen Überlegungen heraus hatte er
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