Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
uns kurz zu erklären, was eigentlich passiert ist!«
Während Marion Hoiser weitere grimmige Kommentare von sich gab, zeigte Weidinger sich jetzt zum Glück sachlich und gefasst. »So ganz genau wissen wir das leider auch nicht. Jedenfalls ist in der vergangenen Nacht unser Freund und Parteikollege Christian Brandl ums Leben gekommen … tragisch, ich bin immer noch völlig fassungslos. Aber es handelte sich selbstverständlich um einen Unfall. Alles andere wäre doch vollkommen absurd!«
Gabriel blickte kurz zu Brettschneider, der seinem Kollegen mit blassem Gesicht zugehört hatte und nun den Mund öffnete, als wollte er etwas sagen. Dann aber schwieg er doch.
»Wie genau ist er denn gestorben, der Herr Brandl?«, fragte der Kommissar und sah nun den Fraktionsvorsitzenden ganz direkt an.
Brettschneider wirkte, als erwachte er aus einer Art Sekundenschlaf. »Was, ja also … Gott, ich bin immer noch vollkommen durcheinander. Also, na ja … wir haben ihn jedenfalls heute Morgen tot aufgefunden. Vor der Hütte … ich weiß auch nicht. Er muss aus irgendeinem Grund in der Nacht nach draußen gegangen sein, und dabei ist er von einer Steinlawine erschlagen worden. Wirklich unfassbar, das Ganze …«
»Ja, tragisch, in der Tat«, knurrte Marion Hoiser. »Vor allem für mich und meine Hütte. Ein toter CSU -Spezi … ich will net wissen, was des für Folgen hat.«
Sandra schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Vielleicht werden Sie einen ungeahnten Besucheransturm erleben … So ein verstorbener Politiker kann auch durchaus so etwas wie eine Attraktion werden und Ihnen ein volles Haus bescheren.«
Die Wirtin starrte Sandra feindselig an. Mit ihrer stämmigen Figur hätte sie die schlanke und kleinere Sandra vermutlich mit einer Hand hochheben können. »Ach geh, des fehlt mir noch, dass die Leute herkumma, um zu sehn, wo’s den Brandl erwischt hat.«
Sandra nickte versöhnlich. »Wo ist denn der Tote jetzt überhaupt?«
»Wollen Sie ihn sehn? Sieht net schee aus, aber so was kennens ja bestimmt, wenn Sie von der Polizei sind. Er liegt drüben im Kühlraum«, erklärte Marion Hoiser.
Sie hörten erneut Schritte, und ein weiteres neues Gesicht erschien im Licht der Lampe. Es war ein Mann, dessen Alter kaum zu schätzen war. Er war auf jeden Fall über siebzig, vielleicht auch noch um einiges älter. Sein hageres, wet tergegerbtes Gesicht ließ an das ausgedörrte Äußere von Ötzi denken. Sandra lief erneut ein kalter Schauder über den Rücken. Dies hier war doch wohl eher so etwas wie eine Geisterbahn als eine Almhütte …
Mit einer Stimme, die so hoch und quäkend klang wie die des alten Hans Moser, sagte er: »Etz beruhig di do, Marion. Loass die Polizisten erst moa ankumma und die nassen Soan auszieha.«
Während Sandra noch versuchte, aus den seltsamen Lauten des Mannes schlau zu werden, nickte Gabriel zustimmend mit dem Kopf und sagte: »Eine hervorragende Idee, Herr …«
»Der Hoiser Toni bin i. Des doa ist mei Tochter. Mir führn die Hüttn seit über dreißig Joan.«
Marion Hoiser nickte. »Eigentlich wäre es schon vorbei gewesen für dieses Jahr. Wir schließen Ende September, wenn’s hier oben ungemütlich wird. Aber die Herren aus München wollten unbedingt noch kommen. Und bei solchen hohen Herren, da sagt man ja nicht Nein. Und jetzt haben wir den Salat …«
Gabriel ging nicht weiter auf die Bemerkung ein. »Na, jedenfalls würde ich gerne erst einmal in Ruhe ankommen, bevor wir etwas Weiteres unternehmen. Der Herr Brandl ist ja nun einmal tot, der läuft uns also nicht davon.«
»Ganz wie Sie wünschen. Dann zeige ich Ihnen jetzt Ihre Zimmer«, sagte Marion Hoiser. Ungefragt nahm sie Gabriels Tasche und Sandras Rucksack und ging voran in den ersten Stock.
Nachdem Gabriel sich Gesicht und Hände gewaschen und ein frisches Hemd angezogen hatte, fühlte er sich schon deutlich wohler. Ein Übriges taten die Hüttenschuhe, die Marion Hoiser ihm aus dem Fundus der vielen von Wanderern vergessenen Kleidungsstücke herausgesucht hatte. Sie wärmten seine immer noch eiskalten Zehen, und vor allem rieben sie nicht weiter an den Blasen, die inzwischen eine leuchtend rote Farbe angenommen hatten.
Gabriel wollte gar nicht daran denken, wie er eigentlich heil wieder hinunter ins Tal gelangen sollte. Barfuß vielleicht? Solche Blasen konnten richtig gefährlich werden, das Risiko einer Blutvergiftung war nicht zu unterschätzen.
Der Kommissar packte die wenigen Sachen aus, die er mitgebracht
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