Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
Sandras Blick bemerkt hatte, ließ die Hand des Kochs los, reckte die Schultern und sagte: »Was ist denn jetzt mit Ihrem Küchenhelfer, Herr Meixner? Holen Sie den doch mal her.«
Meixner zuckte irritiert die Achseln und rief etwas in Richtung Küche. Kurz darauf trat der Schwarze, den Gabriel und Sandra vorhin vor der Hütte gesehen hatten, in die Gaststube.
»Das ist Alam Chijoke. Der kommt eigentlich aus … woher kommst du noch einmal, Alam?«
Der Schwarze grinste schräg, wobei nicht klar war, ob er sich über seinen Chef ärgerte oder durch die Situation verunsichert war. »Ghana«, sagte er dann schlicht.
»Und Sie sind mit Herrn Meixner gekommen?«, fragte Gabriel.
Der Schwarze nickte bestätigend.
Der Kommissar sah sich in der Gaststube um. Um ihn her um standen die beiden Politiker, das wandernde Ehepaar, die Hüttenwirtin und ihr Vater sowie der Fernsehkoch und sein schwarzer Gehilfe.
»Jetzt sind wir aber vollständig? Sehe ich das richtig?«, fragte er in die Runde.
Marion Hoiser nickte. »Ja freilich. Des sind jetzt alle, die wo hier sind.«
»Gut. Oder auch nicht. Wir werden sicherlich noch mit jedem Einzelnen von Ihnen ausführlich sprechen. Erst einmal aber möchten meine Kollegin und ich den Toten in Augenschein nehmen … schließlich ist nur noch eine halbe Stunde Zeit dafür. Wir wollen ja pünktlich bei Tisch erscheinen.«
Sandra und Gabriel ließen sich von Marion Hoiser in den Kühlraum der Hütte führen, der sich direkt neben der Küche befand. Der Tote lag inmitten von Lebensmittelkisten auf einem Biertisch und war von einer dünnen weißen Reifschicht überzogen. Gabriel starrte ihn kurz an und sagte dann: »Ach, der ist das. Ja, den hätte sogar ich erkannt. Bayer hin oder her, den kennt ja wirklich jeder.«
Sandra schüttelte unwillkürlich den Kopf über ihren Chef. Aber es stimmte schon, Christian Brandl war tatsächlich der bekannteste der drei Politiker. Dabei sah der Mann eigentlich gar nicht so aus, wie man sich einen CSU -Funktionär vorstellte. Er war weder übergewichtig noch wirkte er besonders volkstümlich. Mit seiner markanten Brille hätte man ihn glatt für einen Intellektuellen halten können.
Andererseits war er als Generalsekretär seiner Partei immer wieder durch allerlei aggressive, wenn auch oft fantasievolle Aussprüche in die Schlagzeilen geraten. Sandra erinnerte sich noch gut daran, dass Brandl die Eurowährung als organisierten Raubzug gegen Deutschland bezeichnet hatte. Er hatte Politiker anderer Parteien als faule Eier, Hirnvermisser oder schlicht als Idioten beschimpft. Und besonders hervorgetan hatte er sich bei seinen Ausfällen gegen Türken und Griechen, die er einmal gemeinsam mit Serben und Kroaten als Balkan-Schmarotzer bezeichnet hatte. Was nicht zuletzt bewies, dass Brandls Kenntnisse in Geografie nicht gerade ausgeprägt gewesen waren.
Wenn man darüber nachdachte, war es vielleicht gar nicht so überraschend, dass der Mann tot war. Denn es gab zweifellos zahlreiche Menschen innerhalb und außerhalb Bay erns, die Brandl aus den verschiedensten Gründen ein schnel les Ableben gewünscht hatten. Andernfalls wäre Brandl aber auch kein guter Generalsekretär gewesen.
Gabriel schickte Marion Hoiser hinaus, um die Leiche in aller Ruhe untersuchen zu können. Insgesamt wirkte der Mann unversehrt, sah man einmal von dem klaffenden Loch in seinem Hinterkopf ab. Gabriel bat Sandra, ihm mit einer Taschenlampe zu leuchten, und beugte sich tief hinab zu dem Toten. Der Schädel war auf einer etwa faustgroßen Fläche nach innen eingedrückt, der Knochen so stark zertrümmert, dass einzelne Splitter tief in die Hirnmasse eingedrungen waren.
»Eins steht fest: Der war sofort tot. Fragt sich nur, ob der Stein tatsächlich vom Berg gefallen ist. Oder ob ihn jemand in der Hand gehalten hat.«
»Du hast doch schon eine Vermutung, oder?«, fragte Sandra.
»Ich habe immer eine Vermutung, liebe Sandra. Aber unser Beruf besteht schließlich darin, aus Vermutungen Gewissheiten zu machen. Zum Beispiel, indem wir Beweise sammeln.«
»Vielen Dank für die Nachhilfe, Wolf. Das hatten wir an der Polizeischule tatsächlich noch nicht.«
Er lächelte sie entschuldigend an, sie lächelte versöhnlich zurück.
Sie gingen zurück in die Gaststube, um sich von Marion Hoiser die genaue Fundstelle der Leiche zeigen zu lassen. Die Hüttenwirtin hatte den Toten heute Morgen entdeckt, als sie, wie sie erklärte, zur Vorbereitung des Frühstücks vor die hintere
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