Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
Küchentür getreten war.
Inzwischen war es draußen dunkel geworden. Die resolute Marion Hoiser, immer noch im T-Shirt, leuchtete Gabriel und Sandra mit einer starken Taschenlampe den Weg. Im Lichtschein tanzten dichte, große Schneeflocken. Die Wirtin führte die beiden Polizisten etwa zwanzig Meter weit hinter die Hütte auf ein vereistes Schneefeld.
»Hier hat er gelegen. Genau hier. Bis vorhin sah man noch das Blut im Schnee.«
»Wann genau haben Sie ihn gefunden?«, erkundigte sich Sandra.
»Das war heute früh so gegen sechs oder Viertel nach sechs. Mein Tag fängt früh an. Es war noch dunkel draußen, und ich war mit den Vorbereitungen fürs Frühstück beschäftigt. Da bin ich durch die Hintertür der Küche nach draußen gegangen, um was in die Mülltonne zu bringen, und hab etwas im Schnee liegen sehen. Zuerst dachte ich, es wäre ein Tier. Als ich hin bin, war es der Brandl. Das war ein Schreck, das sag ich Ihnen.«
»Wann haben Sie den Toten denn zuletzt gesehen, ich meine, lebend?«, fragte Gabriel.
»Na ja, gestern Abend halt. Das war spät, so gegen elf vielleicht. Wie ich ins Bett gegangen bin, sind die drei Herren von der CSU noch unten in der Stube gesessen und haben Wein getrunken. So wie jeden Abend halt.«
»Wie lange sind die drei eigentlich schon hier oben?«
»Seit drei Tagen. Heut wollten sie wieder aufbrechen. Eigentlich.«
»War zu dem Zeitpunkt sonst jemand wach?«
»Nein, soweit ich weiß, waren alle anderen schon ins Bett gegangen.«
»Und war das Ehepaar Maurer da auch schon eingetroffen?«
»Ja freilich, die sind so gegen acht gekommen, als es schon dunkel war. Die haben was gegessen und sind schnell schlafen gegangen.«
Gabriel ließ sich von Marion Hoiser die Taschenlampe geben und leuchtete die Umgebung ab. Dann richtete er den Lichtkegel in die Höhe, wo er sich in der düsteren Felswand verlor, die hinter der Hütte steil aufragte.
»Wie sieht es mit Steinschlag aus? Kann es sein, dass der Mann einfach nur frische Luft schnappen wollte und tatsächlich von Felsbrocken getroffen wurde?«, fragte er die Wirtin.
Die Frau zuckte mit ihren breiten Schultern. »So etwas kommt schon vor, allerdings selten. Aber heutzutage weiß man ja nie. Klimawandel. Sogar der Fels fängt an, sich zu bewegen …«
»Wenn hier gestern Abend etwas runtergekommen wäre, hätten Sie das gehört?«
»Kommt drauf an. Wenn’s was Kleineres war, nicht unbedingt.«
Gabriel leuchtete noch einmal die Umgebung ab und scharrte mit dem Fuß im Schnee. »Aber dann müssten wir hier ja noch Felsbrocken sehen, nicht wahr?«
»Aber ganz bestimmt«, sagte die Wirtin.
Auf dem Schneefeld lagen zwar ein paar Steine, aber nicht in unmittelbarer Nähe der Stelle, wo sich die Leiche befunden hatte.
»Und wieso meinten Sie, dass es möglicherweise kein Unfall war?«, fragte Gabriel.
Marion Hoiser schüttelte den Kopf. »Ach, vergessens des. Ich will nix gesoagt ham.«
»Haben Sie aber.«
»Ja mei, weils halt gstritten ham.«
»Wer?«
»Die Politiker. Den ganzen Abend, und in der Nacht auch.«
»Aber deswegen erschlägt man sich doch nicht gleich, oder? Streiten gehört für Politiker sozusagen zum Beruf …«
»Jo, scho. Aber da warn auch Spurn im Schnee. Die sieht man jetzt nimma.«
»Und wie sahen die aus, die Spuren?«, fragte Sandra.
»Na, wie Spurn hoalt. Ich mein bloß, der war net allein hier draußen. Die könns jetzt net mehr sehn. Die warn von zwei Männern. Und nur die von einem ham wieder zurück ins Haus gführt.«
Gabriel sah die Frau überrascht an. »Da sind Sie sicher?«
»Todsicher.«
»Und gab es noch weitere Spuren? Vielleicht welche, die von der Hütte wegführten?«
»Gar nix war da.«
Gabriel und Sandra wechselten stumme Blicke, dann frag te die Kommissaranwärterin: »Wann haben Sie denn heute Morgen die anderen über den Leichenfund informiert?«
»Na ja, sofort eigentlich. Das heißt, erst habe ich meinen Vater geholt, der hat sich alles angesehen. Dann haben wir den Herrn Weidinger und den Herrn Brettschneider geweckt. Die haben sich rasch angezogen und sind auch rausgelaufen. Das war ein Geschrei, kann ich Ihnen sagen.«
»Und wer hat dann die Polizei verständigt?«
»Zuerst gar niemand. Das wollten die Herren nämlich nicht. Die wollten nur die Bergwacht rufen, weil es doch ein Unfall war. Aber mein Vater war anderer Meinung. Und i auch. Und dann hat schließlich der Herr Weidinger höchstpersönlich im Ministerium angerufen. Weil der doch eine Nummer hat,
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