Mordsdeal
Burn-out-Syndrom hierhin. Seit Winfried hier war, erholte er sich langsam. Wenn er es jetzt noch schaffte, seinen Bürstenhaarschnitt abzulegen, musste er sich nicht vor seinem eigenen Spiegelbild erschrecken und wurde nicht immer wieder an seine Unfähigkeit, große Umsätze zu erzielen, erinnert.
Die beiden begrüßten Heiner verhalten, ja schon fast depressiv. Sie mussten schlimme Rückschläge erlitten haben. Heiner versuchte sie aufzubauen, indem er ihnen stolz verkündete, dies sei sein letztes Treffen mit ihnen, er habe es endlich geschafft und jeder könne es schaffen, wenn er nur daran arbeite und vor allen Dingen fest daran glaube. Er sei jetzt jedenfalls an das große Geschäft gekommen.
Winfried schleppte sich zur Theke und kam nach einer Weile mit einem Tablett Stuffkamp wieder, wovon er drei sofort selbst austrank. Heiner ließ sich schnell überreden, mitzutrinken, schließlich hatten sie heute etwas zu feiern. Da verstummten die Männer und schreckten zurück. Riesenbaby stand im Türbogen des Raumes und musste den Grund der Feier mitbekommen haben. Er ging mit finsterer Miene schnurstracks auf Heiner zu und forderte ihn auf, wie ein Cowboy seinen Gegner zum Duell, nach draußen zu kommen.
»Hör zu, Heiner, das kannst du mit mir nicht machen, einfach abhauen, mit meinen Geschäftsideen und meinen Adressen. Ich habe dich auf die Idee mit den Pillen gebracht und dir den Ansprechpartner in der Uniklinik genannt. Dass du hier aufhören kannst, verdankst du einzig und allein mir, also will ich auch dein gleichwertiger Partner sein. Wann fangen wir an? Wo sind die Listen?«
Heiner lächelte müde. »Dazu gehört aber eine ganze Menge mehr, als nur mal eben in den Raum zu streuen, dass man mit Kapseln handeln könnte. Außerdem war mir deine Art von Kapseln viel zu gefährlich, auch wenn du es als »Sterbehilfe« deklarieren wolltest. Nein, so nicht. Ich habe mir meine eigenen Gedanken dazu gemacht, und die lächerliche Telefonnummer, die du mir genannt hattest, war auch nicht richtig. Ich musste mich erst durchfragen. Der zuständige Typ und ich kamen nicht überein, und wir stellten sehr schnell fest, dass wir nie Geschäftspartner werden würden.«
Daniel Looser traute Heiner nicht. Er zögerte kurz, ihn gehen zu lassen, ließ es dann aber doch zu. Sie gingen nacheinander zurück ins Zugzwang. Heiner verabschiedete sich mit einem lauten: »Machts gut, Männer, und ihr werdet sehen, ihr schafft es auch.« Dann stieg er in seinen Kombi und fuhr rechts ab, Richtung Autobahn.
*
Daniel Looser war noch etwas eingefallen. Er machte sich so unauffällig, wie es eben ein 1, 98 in großer Mann konnte, aus dem Staub und folgte Heiner auf die Autobahn. Das Vorhaben scheiterte. Heiner hatte ihn abgehängt. Daniels alter Golf Diesel war eben nicht der Jüngste und Schnellste. So zockelte er mit Vollgas und einer dunklen Rauchwolke hinter sich Richtung Ausfahrt Neersen und folgte der Beschilderung nach Viersen.
Der Grenzweg zog sich in die Länge. Er stellte die Grenze zwischen Viersen und Anrath dar. Die Hausnummern waren nicht leicht zu finden oder zu lesen, da große Vorgärten es zum Teil unmöglich machten. Dennoch hatte Daniel es geschafft und stand nun vor Heiners Reihenhaus. Der Carport war leer. Daniel sah das untere Wohnzimmerfenster einen Spalt weit offen stehen. Er ging hinüber und sah hindurch. Er grüßte die fernsehschauende Frau freundlich. Gitti erschrak zu Tode und schnappte nach Luft.
»Was fällt Ihnen ein, hier hereinzuschauen, wo haben Sie die Leiter her?«
Daniel entschuldigte sich für seine Größe und sein Benehmen. Er fragte höflich nach Heiner und sagte, dass er etwas abgeben wollte, worauf dieser warten würde.
Gitti kam ans Fenster und besah sich den Riesen, der im Grunde wie ein Baby aussah. Sie wollte ihn nicht länger vor der Tür stehen lassen, außerdem wurde es allmählich kalt. Sie hatte nur wegen der Katze gelüftet, die unter fürchterlichen Blähungen litt, weil sie wieder einmal eine Maus gefressen hatte. Jetzt war sie ab durch die Klappe und Gitti neugierig, was Daniel zu bieten hatte.
Gitti und Daniel verstanden sich auf Anhieb. Daniel erzählte, er sei sozusagen ein Kollege von Heiner. Er klagte über die immer härter werdende Vertreterwelt und was er alles unternommen hatte, um als Selbstständiger reich zu werden. Er war erfolglos unterwegs gewesen in Sachen Tupper, AMC-Töpfe, Magazine, Staubsauger, sogar als erster und jüngster Kosmetikberater und Berater
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