Mordsdeal
noch immer auf Romeo mit dem Mittagessen. Es gab heute seine Leibspeise: Heringsstipp mit Pellkartoffeln und Gurkensalat. Sonst war er pünktlich zu Hause oder gab zumindest Bescheid, wenn er es nicht schaffte. Er wusste, wie schnell sie sich Sorgen um ihn machte.
Vielleicht wollte er sie zappeln lassen, lag es daran, dass sie sich immer öfter über Heiner stritten. Selbst nach seinem Tod schaffte er es noch, für Unruhe zu sorgen. Sie war froh, wenn er unter der Erde lag und Ruhe einkehrte. Eines machte ihr jedoch zu schaffen. Heute war ein Brief für Romeo angekommen, von einem Dr. Dr. Seifffert – mit drei F – darunter stand: Chemiker. Das sagte nun alles, Romeo hatte sich also tatsächlich um eine Analyse bemüht, obwohl sie es nicht wollte. Sie musste dringend Hilla anrufen und sie fragen, ob sie etwas mit dem Flugzeug und dem Jungen zu tun hatte.
Zutrauen würde sie es ihr allemal.
Gitti hörte Geräusche, die Haustür wurde aufgeschlossen. Zwei Minuten Zeit gab sie ihm noch, nein, 15 Minuten, sie hörte gerade die Dusche.
Die Tür ging auf. Romeo kam herein. Blass und bleich. Die kupferroten Haare standen in allen Richtungen ab. Gitti hätte am liebsten den Kamm geholt und sie gerichtet.
»Du liebe Güte, was ist mit dir passiert? Brütest du was aus? Wo warst du?« Gitti strich ihm unauffällig über die Haare. So sah es etwas besser aus.
»Lass das! Mir geht es gut, auch wenn es nicht so aussieht. Bin etwas übernächtigt. Ich war bei Paul. Wir haben bis spät in die Nacht gebüffelt, und da bin ich gleich bei ihm geblieben.« Romeo würde es höchstens auf dem Sterbebett dem Pfarrer erzählen, was sich wirklich zugetragen hatte, aber nur, wenn seine Mutter nicht dabeistand.
Gitti zog die Mundwinkel nach unten und nickte.
»Ja … ist ja schon gut«, sagte er. »Ich bin nicht schwul und Paul auch nicht, wir haben wirklich gearbeitet.«
»Darum geht es diesmal nicht. Hier!« Sie warf ihm den braunen DIN-A-4 Umschlag hin. »Ich dachte, wir wären uns einig gewesen, als ich sagte, ich möchte nicht, dass irgendwelche Untersuchungen durchgeführt werden. Damit meinte ich natürlich auch das Spielflugzeug. Oder was ist in dem Umschlag? Fühlt sich jedenfalls so an. Hast du es tatsächlich an diesen Chemiker geschickt?« Sie schlug mehrmals mit der Faust darauf und schrie auf. » Verflixt noch mal. Es hat mich gestochen.«
»Bist du verrückt?« Romeo riss ihr den platten Umschlag weg. Er sah sie an und beobachtete, ob sie sich im Gesicht veränderte. Normalerweise hätte er das, was er sah, Zornesröte genannt, aber seit Vaters Tod durfte er nicht voreilig schlussfolgern. Er wartete ab.
»Was glotzt du so? Mach lieber auf und lies den Schwachsinn laut vor.«
Romeo interessierte es brennend, was dieser Dr. Dr. aus dem Internet herausgefunden hatte, also öffnete er tatsächlich den Umschlag im Beisein seiner Mutter, dann sollte sie sich auch gleich bei ihm entschuldigen, wenn wirklich Gift am Draht gefunden worden war und wenn es die letzten Worte waren, die sie sprach.
Wenn Romeo nicht gewusst hätte, dass sich im Briefumschlag ein Flugzeug befinden musste, er würde nun rätseln, was die vielen Plastikteile bedeuteten. Die Flügel waren nicht mehr als solche zu erkennen und mehrere Drähte lagen lose herum, teilweise durchgeknipst, teilweise verbogen, der längste von ihnen stach durch das dicke Umschlagspapier.
Er faltete das Anschreiben auf. Eine Unmenge Tippfehler sprangen ihm entgegen, bevor er es überhaupt gelesen hatte.
Sehr geehrter Herr Stöckskes,
zu meiner Entlasstung sende ich ihnen das mir eingereichte Plastik-Spiehlflugzeug der Marke Fliegwegzurück. Aufgrund meiner Seifffert-Issnix-Analysekann ich ihnen folgendes Ergebniss mitteilen:
Bei Transuranen oder sehr instabilen Elementen steht die Massenzahl des Isotops mit der längsten Halbwertzeit (in Klammern).
Demnach handelt es sich, auch bei dem vermuhteten Drahtteil, nicht um ein mit Gift kontaminiehrtes Materiall.
Hochachtungsvoll
Dr. Dr. Seifffert
»Nicht um ein mit Gift konter was?« Also nicht mit Gift verseucht, oder wie? Du bist hier doch der Studierte. Was will der?«
Wenn Gitti weiter so rot anlief, sollte er sie jetzt schon einmal fragen, welcher Arzt Notdienst hatte, dachte Romeo und musste leider eingestehen, dass er auch nicht viel mehr verstand, sich schon gar nicht mit den Werten der Analyse auskannte. Gegenstand seines Studiums waren die Germanistik und die Philosophie. Das Abi war schon lange
Weitere Kostenlose Bücher