Mordsdeal
drängte Gitti beiseite, riss dabei das blecherne Willkommensschild ab und entschuldigte sich schnell.
Gitti winkte ab. Jammernd führte sie Hilla in das dubiose Zimmer und wuchtete die Sitzfläche der Couch wieder nach oben. Sie öffnete den Plastiksack und sah zu ihr.
Hilla blickte abwechselnd auf den Toten und auf das Schild, das sie noch immer in den Händen hielt, so, als überlegte sie, ob sie es ihm als Grabbeigabe geben sollte. Sie verdrehte die Augen. Jetzt bekam der Spruch ›Man sieht sich immer zweimal im Leben‹ zumindest für Hilla eine völlig andere Bedeutung. Sie erkannte Stephan Wagner natürlich sofort, hielt sich aber mit ihren Emotionen zurück, so gut es ihr überhaupt möglich war.
Sie bückte sich.
»Nichts anpacken!«, schrie Gitti ihr panisch ins Ohr. » Du brichst ihm womöglich etwas.«
Hilla war beleidigt, sie rückte die Brille zurecht.
»Und jetzt?«, fragte sie.
»Das wollte ich dich fragen. Du hast jetzt ein Problem«, sagte Gitti. »Ich habe deine Handtücher mit deinem Namen bei dem Toten gefunden. Also gehört die Leiche dir. Du musst doch etwas damit zu tun haben.«
Hilla musste raus hier. Sie wollte nicht mehr in einem Raum mit dem Toten sein und ließ Gitti einfach stehen. Sie ging in Gittis Küche, zog einen Papierfilter aus dem Behälter und den Behälter aus der Halterung, der die Kaffeedose umstieß. Sie wischte das verschüttete Pulver von der Arbeitsplatte in den Filter, der restliche Kaffee rieselte auf den Fußboden. Bei Hilla dauerte eben alles etwas länger, auch das Wasserabfüllen. Irgendwann hatte sie es geschafft, und der Kaffee blubberte röchelnd in die Kanne. Sie trank in letzter Zeit viel zu viel Kaffee, es war wohl wie das Rauchen: Man bildete sich ein, es würde helfen.
*
Hilla stellte Gitti die Kaffeetasse mit dem Unterteller hin, beide waren halbvoll. Anstatt Kaffee hätte Hilla ihr lieber eine Beruhigungstablette gegeben, weil sie wusste, was folgen würde, wenn sie sich erklärte.
»Es ist so«, begann Hilla. »Ich wollte es dir ja nicht sagen, aber …«
»Spar dir deine großen Reden. Wer ist der Mann? Was hast du mit ihm gemacht?«
»Wieso ich? Immer gibst du mir die Schuld. Immer schon – auch früher. Aber diesmal war es dein holder Ehegatte. Jawohl! Heiner hat ihn auf dem Gewissen. Wie sollte ich es wohl geschafft haben, euch diese Leiche unterzujubeln, überleg doch mal. Ich sage dir, wie es sich zugetragen hat, aber unterbrich mich nicht dabei, okay?«
Bei erfundenen Geschichten störten sie Unterbrechungen sehr, dann kam sie durcheinander.
»Heiner hatte mich eines Tages aus heiterem Himmel angerufen und mich gefragt, ob ich noch beim ambulanten Dienst arbeite und ob ich ihm nicht mal ein paar Adressen von den alten Leuten geben könne. Er habe einen Handel mit Tabletten aufgemacht, die speziell für die Alten seien. Zum einen würden sie so Kosten sparen, zum anderen ginge es ihnen damit viel besser. So eine Art Vitaminpräparat sei es. Ich sagte ihm, die einzige Adresse, die ich ihm geben könnte, sei die von meinem derzeitigen Alten, dem ich den Haushalt mache.« Beim ambulanten Dienst hatte sie erst gar nicht angefangen, ihr hatten die Voraussetzungen dafür gefehlt, und sie war auch nicht wirklich interessiert gewesen, wollte nur so tun als ob. Aber das musste sie Gitti ja nicht alles auf die Nase binden.
»Äh …«
»Unterbrich mich nicht, habe ich gesagt. Also, ich gab ihm die Adresse von Stephan Wagner. Übrigens, so heißt dein Toter: Stephan Wagner.«
»Moment, wieso mein Toter?«
»Lass mich ausreden. Und Heiner besuchte ihn eines Tages. Ich war übrigens auch da – hätte ich Heiner nicht empfohlen, wäre er nicht reingekommen. Da war der alte Wagner misstrauisch. Sie kamen sehr schnell auf die Tabletten zu sprechen. Als er hörte, wie günstig die Pillen waren und dass er dann schon bald nicht mehr so viele von den anderen benötigte, wenn er sie regelmäßig einnahm, bestellte er sofort drei Großbeutel, zu einem ungeheuren Preis. Ich weiß es, weil ich das Portemonnaie des Alten suchen musste. Er hatte es wieder mal verlegt. Mittlerweile kenne ich seine Verstecke. Von da an kam Heiner öfters, aber der Gesundheitszustand des Alten wurde immer schlechter. Ab und zu besuchte ihn zwar mal sein Hausarzt, aber der Alte hatte ihn regelmäßig getäuscht, ihm gesagt, es ginge ihm gut, auch wenn es nicht der Fall war. Für den hohen Blutzucker und den noch höheren Blutdruck hatte er eine Ausrede, versprach, beides
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