Mordsdeal
Visitenkarte und zeigte ihr erst die eine und dann die andere Seite. »Schauen Sie.«
»Ja, das stimmt. Ich habe den Haushalt und seine körperliche Pflege übernommen. Wie kommen Sie an die Karte?« Lilo registrierte Hillas ängstlichen Blick. Vermutlich, weil sie wusste, dass sie ihm diese Karte einmal überreicht hatte und sie an alles, nur nicht daran gedacht hatte, sie zu suchen und zu zerreißen. Lilo schwieg, ließ sie zappeln.
Hilla hielt es nicht mehr aus. »Hat er Ihnen die Visitenkarte gegeben? Ist er wieder zu Hause?«, fragte sie scheinheilig.
»Wieder zu Hause? Wie man es nimmt. Stephan Wagner ist tot. Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
Hilla ließ sich auf die Zeitungen sinken und sah zu der Kommissarin hinab. »Vor zwei Wochen. Ich habe ihn zum Bahnhof gebracht und in den Zug gesetzt. Er wollte seine Schwester in der Schweiz besuchen.«
»Hatte er sich denn nicht bei Ihnen gemeldet, ob er gut angekommen ist?«
»Nein, ich bin ja nicht sein Kindermädchen oder seine Mutter, sondern nur die Pflegerin und Hilfe. Außerdem sagte er mir, dass er eventuell drei Wochen bleiben wollte. Es würde ja niemand auf ihn warten, und ich sollte so lange auf das Haus aufpassen. Er ließ mir meinen Lohn da, weil er wusste, dass er sich auf mich verlassen kann.«
»Können Sie mir bitte die Telefonnummer der Schwester geben?« Erst jetzt zückte Lilo ihr Notizbuch und den Stift. Bisher konnte sie sich alles merken, aber ausländische Telefonnummern gehörten nicht dazu, da musste sie sich nichts vormachen. Lilo stupste den Stift aufs Papier, schrieb eine 0 und sah dann zu Hilla.
Die zuckte mit den Schultern. »Habe ich nicht.«
»Bitte?«
»Die Nummer habe ich nicht. Er wollte nicht, dass ich dort anrufe. Wenn das Haus abbrennt, sollte ich die Feuerwehr rufen. Das war sein Humor – nein, wohl eher die Gewissheit, dass nichts passierte, wenn ich darauf aufpasse. Hören Sie, es ist so: Seine Schwester sollte nicht wissen, dass er Hilfe benötigte, sie hätte sonst einen Heimplatz für ihn gesucht und sein Haus verkauft. Darauf wartete sie nur.«
»Hatte er sonst noch Angehörige, und gibt es irgendwelche Unterlagen, ein Stammbuch oder Ähnliches? Fotos? Seinen Personalausweis oder ein Portemonnaie haben wir nicht gefunden.«
Hilla schüttelte den Kopf.
»Er ging nie ohne Personalausweis und Börse aus dem Haus. Bevor wir fuhren, hatte er sogar laut aufgesagt, was er alles in den Taschen hat. Ich habe daneben gestanden und es genau gehört.«
»Gibts hier ein Fotoalbum, eine Kiste mit Bildern von ihm?«
Hilla hob die Arme und ließ sie wieder fallen. »Nein, gibt es nicht. Mein Gott, wurde er etwa ausgeraubt? Wo haben Sie ihn denn gefunden?« Hilla nahm ihre Teetasse hoch. Der Supermarktprospekt in DIN-A-4 klebte darunter. Es störte sie nicht, auch nicht, dass sie ihr nichts zu trinken angeboten hatte.
»In einer Biotonne, in Moers.« Lilo war auf Hillas Reaktion gespannt.
»Das ist ja schrecklich! Wie ist er denn da hineingekommen?« Hilla hielt sich die Hand vor den Mund.
»Tja, das wüssten wir auch gerne. Deswegen bin ich ja hier. Können Sie mich bitte begleiten? Ich möchte, dass Sie den Toten identifizieren.«
*
Mia hatte gleich Montag früh mit Romeo telefoniert und sich dafür entschuldigt, sich so lange nicht bei ihm gemeldet zu haben. Sie habe gute Gründe dafür gehabt, erklärte sie und übermittelte ihm zuerst die gute Nachricht: dass Sameja endlich ihren Vater gefunden hatte. Deshalb sei sie auch den ganzen Sonntag mit der Journalistin, Sameja und ihrem Vater unterwegs gewesen. Sie seien zuerst essen gegangen und hätten ihn anschließend wieder zum Flughafen gebracht und verabschiedet. Romeo sagte ihr, er wisse es bereits von Sameja, die er danach sofort besucht habe. Mia merkte, wie sehr er sich über Samejas Glück freute, da war kein Platz für Vorhaltungen, warum er es sie erst erzählen ließ.
Mia musste zur schlechten Nachricht kommen. Das wollte sie ihm nicht verheimlichen, dass es einen Toten in der Biotonne gegeben hatte, den seine Tante zu seinen Lebzeiten pflegte. Mia hätte sich besser ausdrücken sollen, es gab bei Letzterem einige Missverständnisse. Sie verdeutlichte es ihm und erzählte auch vom Kriminalbiologen.
»Die Kommissarin ist jetzt unterwegs zu deiner Tante, um sie zu befragen. Der Tote ist ausgerechnet bei Daniel Looser in der Tonne gefunden worden. Vielleicht kann Hilla aufklären, was er da gemacht hatte, und Benecke, wann der ungefähre Todeszeitpunkt
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