Mordsdeal
hast du gewonnen.« Sie sah sich um. »Wir sind etwas zu früh. Magst du eine Cola oder Cappuccino? Sameja?«
Sameja stand vor den nach außen schräg gestellten Panzerglasscheiben und ließ sich darauf fallen. Das war auch Mias Lieblingsbeschäftigung, wenn sie hier war. Sie hatte dann jedes Mal den Eindruck, vom Turm zu fallen, weil durch die Schrägstellung nichts anderes als der Abgrund unter ihr war. Anhand der unzähligen Handabdrücke machten es auch viele der anderen Besucher. Mia und Sameja mussten also nicht befürchten, abgeführt zu werden.
Elke betrat das Restaurant. Sie sah verfroren aus und schüttelte sich andauernd. Mia kam auf sie zugeflogen. Sie umarmten sich herzlich.
»Ich grüße dich. Wie war deine Reise? Wir sitzen da hinten. Und? Alles klar?«
Elke nickte verschwörerisch. Sie gingen an den Tisch.
»Sameja, ich freue mich, dir endlich Elke vorstellen zu können. Sie kommt direkt aus Benin, deshalb friert sie auch so. Sie hat Neuigkeiten.«
Sameja schossen Tränen in die Augen. Gleichzeitig schimpfte sie: »Du hast mich unter einem Vorwand hierhin gelockt. Das gibts doch nicht, von wegen Trödelmarktstand.«
Elke und Mia lachten. Elke setzte sich neben Sameja und bestellte bei der Bedienung sofort einen heißen Tee. Dann berichtete sie Sameja, es bestünden gute Aussichten, dass sie ihren Vater gefunden hätte. Sie hätte da eine Adresse von einem Taxifahrer bekommen.
»Das sind übrigens Mofataxis«, unterbrach Mia. » Da tragen die Taxifahrer gelbe Hemden und fahren einen auf dem Gepäckträger über die roten Sandstraßen, wohin du willst. Du musst Sameja unbedingt deine CD-ROMs mit den Bildern zeigen, Elke. Sie wird staunen.«
»Ja, aber …«, Sameja schob ihre Ärmel hoch. »Mein Vater, wo wohnt er? Was macht er? Kann man ihn irgendwie erreichen?«
»Moment, Moment, wir müssen erst noch feststellen, ob …«, unterbrach Elke. Sie stand auf, schien zu überlegen und setzte sich wieder.
»Was jetzt?«, fragten beide unisono.
Elke antwortete nicht.
»Ist er … Lebt er nicht mehr?« Sameja wagte nicht, es auszusprechen.
Der Tee wurde gebracht. Sameja machte ein wenig Platz, damit die Bedienung das Tablett hinstellen konnte.
»Gutten Tack, Sameja.«
Sie sah auf und blickte in ein dunkles Gesicht mit je drei auffälligen Narben auf den Wangen.
Die beiden fielen sich um den Hals. Sie drückten und liebkosten sich unter Tränenbächen, wirkten nicht wie Vater und Tochter, die sich noch nie im Leben begegnet waren. Eher wie eng Verbundene, die sich ihr Leben lang danach gesehnt hatten, sich in die Arme schließen zu können.
Mia nahm Elkes Hand: »Danke.« Sie löste sich wieder, holte aus ihrer Handtasche ein Päckchen Papiertaschentücher und verteilte eine Runde. Sameja und ihr Vater hatten nur Augen für sich, sie schienen die Welt um sich herum vergessen zu haben.
Mia stand auf und ging mit Elke an den Nachbartisch.
»Wie hast du das Wunder vollbracht?«, fragte sie.
»Es war tatsächlich ein Taxifahrer, aber der Taxifahrer aus Cotonou, der mir den Tipp gegeben hatte. Ich war mit ihm auf dem Weg zur Botschaft, und da kam mir die spontane Idee, ihm das Foto zu zeigen. Ich glaube nicht an Zufälle, wie du ja weißt. Er konnte sich an Kalla erinnern, eben aufgrund des außergewöhnlichen Stammeszeichens. Er hatte ihn vor Monaten ebenfalls zur Botschaft gefahren, als er in sein Land zurückgekehrt war. Dort wollte er sich nach seiner Tochter erkundigen, denn auch er sehnte sich nach ihr. Er hinterlegte dort seine Adresse.«
«Ach, er lebte nicht die ganze Zeit in Afrika?«
»Genau. Nachdem ich ihn ausfindig gemacht hatte, ging alles sehr schnell, mit den entsprechenden Beziehungen natürlich. Tja, und dann saßen wir endlich im Flugzeug und hatten ausreichend Zeit, uns über sein Leben zu unterhalten.«
»Erzähl!«
»Kalla gehörte einem Stamm an, bei dem er Anspruch auf den Thron hatte. Gehabt hätte, hätte der Heiler nicht den Auftrag von einem Thronneider bekommen, Kalla zu verfluchen. Um dem zu entgehen, floh er in jungen Jahren mit seinem Freund zuerst nach Deutschland, dort lernte er Samejas Mutter kennen und dann, als sie einen neuen Fluch, den der enttäuschten Mutter und Hausfrau über ihn ausgesprochen hatte, tat er sich wieder mit seinem Kumpel zusammen und es ging ab nach Frankreich.«
Mia seufzte laut auf. Sie bedankte sich nochmals herzlich bei Elke und versprach ihr, eigens für sie eine Büste zu bildhauern. Sie solle sich überraschen lassen. Mia
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