Mordsdeal
Schwester machte Platz. Sie setzten sich in die Küche und Gitti schüttete ihr, ohne zu fragen, Kaffee in den Goofy-Becher und goss Kuhmilch dazu.
»Hör zu«, sagte Hilla. Sie nahm den vollen Becher mit zittrigen Händen, der Henkel brach ab, der Kaffee ergoss sich über die Plastiktischdecke. Hilla sprang auf und warf den Stuhl um. »Da kann ich wirklich nichts für. Weißt du, wie alt die Tasse ist?«
»Ja, ich weiß, seitdem habe ich sie nicht mehr benutzt. Ostern hatte jede von uns eine bekommen, du die Micky Maus, ich den doofen Goofy. Du warst drei und ich 13. Bestimmt bist du damals schon auf den Henkel meiner Tasse getreten, so tollpatschig, wie du immer bist.«
»Hör zu, ich bin nicht gekommen, um mit dir die Vergangenheit aufzuarbeiten. Wir müssen über die Zukunft sprechen. Ich sollte heute Stephan Wagner identifizieren.«
»Stephan Wagner?« Gitti hielt in der einen Hand die kaffeedurchtränkten Papiertücher hoch, die andere hielt sie schützend darunter.
»Der Tote im Vakuumsack.«
»Erinnere mich nicht daran. Es war aber auch dumm von dir, ihn in die Biotonne von diesem Looser zu stecken. Was hast du dir nur dabei gedacht? Dass die Müllabfuhr ihn für dich entsorgt? Ich sag noch mal, damit will ich nichts zu tun haben. Damit musst du alleine klarkommen, wenn du so blöd bist.«
»Ich bin klargekommen, habe gesagt, ich kenne ihn nicht, obwohl er eine Visitenkarte von mir im Anzug stecken hatte. Das kommt davon, wenn alles schnell, schnell gehen muss. Heiner hatte mich gedrängt, voranzumachen, da habe ich nicht mehr in die Taschen geschaut.«
Gitti warf flugs die Tücher weg, dann reichte sie ihr einen unzerbrechlichen blauen Plastikbecher mit Kaffee. Es war der letzte Rest, die Tasse nur halbvoll. Sie setzten sich wieder.
»Heiner, Heiner, immer schiebst du alles auf andere. Damit kommst du nicht durch. Du wirst sehen.«
Natürlich hatte Hilla den unzähligsten Fehler ihres Lebens begangen. Sie war zu naiv an die Sache herangegangen. Hatte gedacht, wenn Daniel Looser das Tablettengeschäft übernommen hatte, wie Gitti verlauten ließ, dann würde er nach Auffinden des Toten ihn genauso vertuschen wollen. So eine Leiche blieb nun mal geschäftsschädigend. Der AB gab ihr den Tipp mit dem Seminar, sie hatte die Örtlichkeiten besichtigt und den idealen Hintereingang zum verwilderten Garten gefunden. So, wie der aussah, hatte Daniel Looser noch nie eine Biotonne gebraucht. Hilla fasste sich an den Kopf.
»Ist passiert«, sagte Gitti mit einem Mal im versöhnlichen Ton. »Ich hab da was für dich«, kündigte sie an und ging ins Schlafzimmer. Hilla hörte die quietschende Tür des Arzneischränkchens, das sie ihr mal in guten Zeiten und in einem Anfall von Schwesternliebe vermacht hatte. Mehr als einmal hatte sie es schon bereut.
Gitti kam mit einer quadratischen Pillenschachtel wieder, auf der ›Ruhe wohl‹ stand und drückte eine davon aus der Verpackung. Hilla hätte sie nicht genommen, wenn ›Ruhe sanft‹ draufgestanden hätte, aber so würde ihr ein wenig Schlaf guttun, auf den hatte sie letzte Nacht vergeblich gewartet. Gitti bot ihr an, sich in Heiners Betthälfte zu legen. Hilla war jetzt alles egal. Ihre Augenlider wurden plötzlich immer schwerer, auch die Beine, die Arme, der …
*
Mia nahm die Schutzbrille ab und schob die Lärmschutz-Micky-Mäuse ins Haar. Schnell öffnete sie den Overall, damit die Hitze sich nicht staute. Erst jetzt, da sie sich nicht mehr bewegte, merkte sie, wie sehr sie sich körperlich angestrengt hatte. Es traten unzählige Schweißperlen hervor, die nach und nach ihre Haut benetzten. Mit 60 musste sie sich einen kompletten Maschinenpark anschaffen, wenn sie die Arbeit der Bildhauerei weiter ausführen wollte. Noch besser wäre es, sich einen Roboter zuzulegen, den sie nur mit Zeichnungen füttern musste. Aber wer weiß, was es bis dahin noch alles gab.
Hätte Mia diese Pause nicht gemacht, sie hätte jetzt das Telefon nicht gehört. Wer das wohl wieder war? Mit Waldemar hatte sie schon gesprochen. Luigi hatte sich auch nach Monaten wieder gemeldet und ihr mitgeteilt, dass er zukünftig nicht mehr mit Kruzifixen handeln wollte. In seinem hohen Alter von 45 Jahren liebäugelte er tatsächlich mit dem Kauf eines Imbisswagens. Damit sei der schnelle Euro zu machen, fantasierte er, und zum Beweis, wie genial so ein mobiler Wagen war, wollte er demnächst einmal damit vorbeikommen.
Mia unterbrach sich selbst. Allmählich sollte sie mal ans Telefon
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