Mordsfreunde
aufeinander. Plötzlich blieb das Mädchen stehen und deutete auf eine schmale, halb verfallene Tür.
»Dort geht es in die Katakomben«, rief Antonia. »Sonst gibt's nur noch den Weg durch den Brunnenschacht zum Verlies und zum Geheimgang.«
»Was für ein Geheimgang?« Bodenstein hob den Arm, um seine Augen vor dem Regen zu schützen.
»Wir haben vor ein paar Jahren einen halb verschütteten Gang entdeckt, der direkt hinunter in die Altstadt führt«, erwiderte Antonia. »Ich glaube, nicht mal die von der Stadtverwaltung wissen von dem Gang. Aber wir können so immer auf die Burg, wenn wir Lust dazu haben.«
Sie ging auf den verfallenen Torbogen zu, quetschte sichdurch den Spalt und verschwand im Dunkeln. Bodenstein, Behnke und Sander folgten ihr. Im Inneren war es warm. Die Hitze der vergangenen Tage staute sich in dem kleinen Raum. Behnke ließ seine Taschenlampe aufflammen. Vorsichtig tasteten sie sich über den mit Geröll und Schutt bedeckten Boden zu einer steilen Treppe, die den Namen kaum noch verdiente. Behnke leuchtete in das düstere Loch. Je tiefer sie in die alte Festung vordrangen, desto feuchter und kälter wurde die modrig riechende Luft. Endlich hatten sie den Abstieg hinter sich und standen in einem schmalen Gang, der so eng war, dass Bodenstein fast Platzangst bekam. Er verbot sich jeden Gedanken an die Tonnen losen Gesteins über sich und folgte Antonia, bis sie unvermittelt stehen blieb.
»Da vorne ist Licht«, flüsterte sie und wies auf einen schwachen Lichtschein, der durch Löcher im Gemäuer fiel. »Da ist das Verlies.«
Bodensteins Herz schlug hektisch, jetzt, da er mit Bestimmtheit wusste, dass er auf der richtigen Spur war. Er holte tief Luft und hob seine Waffe.
»Geh nach hinten zu deinem Vater«, befahl er dem Mädchen, »und bleib bei ihm, egal, was jetzt passiert!«
Wenig später blickte er von einer Art halb verfallener Galerie hinunter in das große Gewölbe, das vom Schein flackernder Kerzen erhellt war, die in einem Kreis auf dem Boden standen. Bodenstein erkannte Lukas, der auf dem Boden kniete und an einem rostigen Gitter zerrte. Gerade als er etwas sagen wollte, hallte eine Stimme durch das Gewölbe.
»Nimm die Finger von dem Gitter weg! Los!«
»Was machen wir?«, zischte Behnke. Sie duckten sich hinter die Reste der Brüstung. Bodenstein riskierte einen Blick nach unten.
»Das ist Tarek Fiedler«, flüsterte er, »und er hat eine Waffe.«
Seine Gedanken rasten. Wo war Pia Kirchhoff? Ihm durfte jetzt kein Fehler unterlaufen. Aber abwarten war in dieser Situation die schlechteste Alternative.
»Wir greifen ein«, entschied er deshalb und nickte Behnke zu.
»Werfen Sie die Waffe weg!«, schrie er. »Polizei!«
Tarek Fiedler zögerte keine Sekunde. Statt die Waffe fallen zu lassen, riss er sie hoch und schoss in die Richtung, aus der Behnkes Stimme gekommen war. Das Krachen des Schusses in dem Gewölbe war ohrenbetäubend. Die Kugel schlug in das Mauerwerk ein wie eine Explosion, Steinbrocken flogen durch die Luft. Steine bröckelten. Ein zweiter Schuss fiel, ein dritter. Mit einem dumpfen Poltern stürzte eine ganze Wand ein.
»Dieser kleine Idiot!«, knirschte Behnke. Die Luft war voller Staub, doch Bodenstein ignorierte die Panik, die der Gedanke, lebendig begraben zu werden, in ihm auslöste.
»Seid ihr alle in Ordnung?«, fragte er leise.
»Ja«, erwiderte Behnke und hustete unterdrückt. Sander und Antonia nickten stumm. Bodenstein erhob sich aus der Deckung und stellte fest, dass fast alle Kerzen erloschen waren.
»Taschenlampe!«, sagte er. Behnke leuchtete hinab. Der Staub verschluckte das Licht, aber es war deutlich zu erkennen, dass das Gewölbe leer war. Von Lukas und Tarek war nichts mehr zu sehen. Sie kletterten über die Brüstung hinab in das alte Verlies.
»Hilfe! Hallo! Hört mich jemand?«, erklang es dumpf aus dem Boden. Behnke und Sander reagierten schneller als Bodenstein. Sie stürzten zu dem Gitter, an dem Lukas vorhin gerüttelt hatte. Behnke leuchtete in das Loch.
»Pia!«, rief Sander, und Bodenstein wurde vor Erleichterung ganz flau. Gemeinsam gelang es ihnen, das rostige Gitterauf die Seite zu schieben. Pia Kirchhoff war erschöpft, verdreckt, aber unverletzt. Die Männer legten sich auf den Bauch und zogen sie nach oben. Sie blieb einen Moment mit geschlossenen Augen auf dem Rücken liegen, dann blickte sie Behnke an.
»Pech gehabt«, sie lächelte schwach, »ich lebe noch.«
»Ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet«,
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