Mordsfreunde
erwiderte Antonia mit zitternder Stimme. »Lukas hat etwas von einem Wurm gesagt, und dass er sich nicht erpressen lassen und den Kerl eher umbringen würde.«
Bodenstein begegnete Sanders Blick und erkannte darin blanke Angst. Sollte er sich in dem Mann getäuscht haben? Machte er sich wirklich Sorgen um Pia Kirchhoff?
»Der Junge wird den beiden nichts tun«, sagte Sander mit bebender Stimme, aber es klang eher so, als wollte er sich selbst davon überzeugen.
»Ich hoffe sehr, dass Sie recht haben«, antwortete Bodenstein düster. »Ich bin kein Psychologe und auch kein Profiler, aber ich glaube, dass Lukas ein gefährlicher Psychopath ist, der schon zweimal gemordet hat und einmal beinahe.«
Lukas erschien Bodenstein als tickende Zeitbombe, zu allem bereit. Die Zeit drängte.
»Ich glaube, er ist auf der Burg in Königstein«, sagte Kathrin Fachinger plötzlich. Bodenstein fuhr herum.
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte er überrascht.
»Das Verlies in Double Life«, entgegnete Kathrin Fachinger. »Vielleicht hat sich Lukas von seinem eigenen Spiel inspirieren lassen.«
»Lukas liebt die Burg«, bestätigte Antonia, »wir waren oft da, Jo, Svenja, Lukas und ich.«
»Okay«, Bodenstein hob den Kopf und blickte Sander an. »Sie fahren mit Ihrer Tochter nach Hause.«
»Nein«, widersprach Antonia, »ich fahre mit. Ich kenne mich besser auf der Burg aus als Sie. Außerdem wird Lukas mir nichts tun.«
Der Himmel über dem Taunus war dunkel wie Schiefer. Unbeweglich verharrte die tiefste Wolkenschicht, der Himmel war eine einzige schwere Masse und senkte sich immer tiefer auf die Erde. Die Vögel hatten aufgehört zu zwitschern. Jedem Lebewesen war klar, dass etwas von oben drohte, außer den Fußballfans. Ganz Königstein war ein Meer in Schwarzrotgold. Autokorsos mit ausgelassenen, Fähnchen schwenkenden Fans verstopften den Kreisel. Bodenstein trommelte ungeduldig mit der Faust aufs Lenkrad.
»Biegen Sie Richtung Mammolshain ab«, Sander beugte sich vor.
»Und dann?«
»Herrgott, tun Sie's doch einfach!«
Bodenstein warf dem Mann im Rückspiegel einen ärgerlichen Blick zu und gehorchte. Sander lotste ihn über den Waldparkplatz des Opel-Zoo auf die Straße nach Kronberg. Kurz vor dem Ortseingang ließ er ihn links Richtung Falkenstein einbiegen. Minuten später hatten sie die Königsteiner Altstadt erreicht.
»Wann ist das SEK da?«, fragte er. Behnke griff zum Telefon.
Ein heißer Wind trieb Staub und Papierfetzen vor sich her über das Kopfsteinpflaster. In der Fußgängerzone war wenig los, die Leute hatten sich vor dem herannahenden Gewitter in ihre Häuser geflüchtet. Sander dirigierte Bodenstein mit knappen Befehlen durch die schmalen Gassen, vorbei am luxemburgischen Schloss und der evangelischen Kirche. Bodenstein trat aufs Gaspedal, als er den Weg erreicht hatte, der zum Haupttor der Burg führte.
»Das SEK ist in einer halben Stunde da«, verkündete Behnke. »Wenn sie gut durch die Stadt kommen.«
»So lange können wir nicht warten.« Bodensteins Nerven vibrierten. Lukas war bewaffnet, und niemand von ihnen trug eine schusssichere Weste! Er durfte Sander und seine Tochter nicht in Gefahr bringen, dennoch brauchte er das Mädchen dringend. Die ersten schweren Regentropfen klatschten auf die Windschutzscheibe.
»Da steht Lukas' Smart!«, rief Antonia aufgeregt. Bodenstein trat heftig auf die Bremse. Das kleine Auto stand halb im Unterholz, die Fahrertür war offen. Der Junge war in höchster Eile gewesen, weil er ahnte, dass Antonia die Polizei rufen würde. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät! Er drehte sich um und blickte Antonia an. Im Vergleich zu anderen mittelalterlichen Festungsanlagen war die Königsteiner Burg nicht besonders groß, aber es gab Dutzende von Gewölben, Kellern und Gängen. Und die Zeit wurde knapp.
»Erklär uns, wo wir hinmüssen.«
»Das dauert viel zu lange«, erwiderte das Mädchen. »Ich gehe mit.«
»Nein. Das ist zu gefährlich. Lukas ist bewaffnet.«
»Wir gehen mit«, bekräftigte Sander.
»Das kann ich nicht verantworten«, Bodenstein schüttelte den Kopf. »Ich muss darauf bestehen, dass ...«
»Wie lange wollen Sie denn noch rumquatschen?«, schnitt Sander ihm das Wort ab und öffnete die Tür. Er stieg aus und marschierte Richtung Burgtor. Antonia folgte ihm.
»Den halten Sie nicht auf, Chef«, sagte Behnke. »Beeilen wir uns, sonst gibt's noch ein Unglück!«
Pia hatte jedes Zeitgefühl verloren. Ihr Mund war papiertrocken,
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