Mordsfreunde
wirklich um meinen Sohn ging, sondern Jonas für ihn lediglich Mittel zum Zweck war.« Bock machte eine kurze Pause. »Wir haben uns bei der Stellenvergabe für einen anderen Bewerber entschieden. Da hat Jonas Tarek mit zu uns nach Hause gebracht, sie wollten nicht verstehen, dass ich mit Personalentscheidungen nichts zu tun habe. Jonas drängte mich, Tarek einzustellen.«
»Aber das haben Sie nicht getan«, vermutete Pia. Bock musterte sie.
»Ich habe einen Personalchef, der weiß, worauf es ankommt. Wenn er Tarek nicht wollte, wird er seine Gründe gehabt haben. Wir stellen niemanden ein, nur weil er ein Freund meines Sohnes ist. Das habe ich Jonas und Tarek gesagt.«
»Und daraufhin gab es Streit.«
»Noch nicht. Ich habe die Bewerbungsunterlagen angefordert und festgestellt, dass Tarek überhaupt keine Qualifikationen für die Stelle hatte. Weder ein abgeschlossenes Studium noch Berufserfahrung. Ich habe ihm angeboten, erkönne im Callcenter oder auf unseren Baustellen arbeiten, wenn er unbedingt einen Job bräuchte. Aber das wollte er nicht. Er wurde unverschämt und drohte mir sogar.«
»Ach? Was hat er gesagt?«
»Ich weiß es nicht mehr im Detail. Er war gekränkt, fühlte sich wohl herabgesetzt. Ich habe ihm klipp und klar zu verstehen gegeben, dass er in meinem Haus nichts mehr verloren hat.«
»Wie reagierte Jonas darauf?«
»Genau so, wie sein Freund Tarek es ihm vorgemacht hatte.« Bocks Miene wurde finster. »Er wurde unsachlich, schrie herum, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben wolle und seine Zukunft sowieso nicht als Betriebswirt oder Ingenieur sähe, sondern als Biologe.«
»Und da warfen Sie ihn raus«, bemerkte Pia. Dr. Carsten Bock blickte sie an. In seinen eisblauen Augen lag kein Funken Wärme.
»Nein«, erwiderte er, »ich habe ihn nicht rausgeworfen. Jonas ist von alleine ausgezogen.«
Jonas' Zimmer befand sich im zweiten Stock des Hauses und war ungefähr so groß wie Pias ganzes Haus. An der größten Wand hing ein riesiges Foto, mindestens drei auf sechs Meter groß. Es zeigte eine Panoramaansicht von Kelkheim und Königstein, eine rote Linie schlängelte sich quer durch die Wälder und über Wiesen.
»Was ist denn das?« Pia trat ein paar Schritte zurück, um das Bild in seiner vollen Größe betrachten zu können.
»Eine Computersimulation von der geplanten Trasse der neuen B8«, sagte Bock von der Tür aus.
»Haben das Ihre Ingenieure entworfen?« Pia war beeindruckt. Alle Details stimmten, Häuser, das Kelkheimer Kloster, die Königsteiner Burg, Schloss Bodenstein, die Dresdner-Bank-Ausbildungsstätteam Bangert – es sah beinahe aus wie ein Foto.
»Nein«, Bocks Stimme klang bitter. »Das hat mein Sohn gemacht. Nicht für mich, sondern für seine neuen Freunde, die B8-Gegner.«
Er fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. Für einen winzigen Moment glaubte Pia schon, der Mann würde sich endlich zu einer Emotion hinreißen lassen und in Tränen ausbrechen, aber nach ein paar Sekunden hatte er sich wieder im Griff.
»Wo ist Jonas' Computer?« Bodenstein wies auf den Schreibtisch. Dort stand ein Flachbildschirm, das Kabel, an dem er einmal an einen Rechner angeschlossen gewesen war, lag lose auf der Tischplatte.
»Wahrscheinlich hat er ihn mitgenommen, als er ausgezogen ist.«
Bodenstein öffnete die Schubladen des Schreibtisches. Allerhand Krimskrams, Schulbücher, DVD-Rohlinge – nichts Besonderes. Er nahm ein paar Bücher heraus und schlug sie auf. Aus einem Buch fielen ein paar abgegriffene Fotos heraus. Sie zeigten alle ein Mädchen mit langem blondem Haar und einen Mann in inniger Umarmung. Der Mann war nicht zu erkennen, weil jemand mit Eddingstift sein Gesicht zugekritzelt hatte.
»Sie haben nichts dagegen, dass ich die Bilder mitnehme, oder?«, wandte Bodenstein sich an Dr. Bock. Der hob nur die Augenbrauen und zuckte die Schultern. Er wollte die Fotos nicht einmal sehen.
»Waren Sie mit der Beziehung zwischen Ihrem Sohn und Svenja eigentlich einverstanden?«, fragte Pia.
»Das war nichts Ernstes.«
Pia zog den Abzug von dem Ultraschallbild hervor und reichte es dem Vater des toten Jungen.
»Dieses Bild war auf Jonas' Handy gespeichert. Wir vermuten, dass Svenja schwanger ist.«
Bock warf einen flüchtigen Blick darauf. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, aber an seiner Wange zuckte ein Muskel.
»Vielen Dank, Herr Dr. Bock«, mischte sich Bodenstein nun ein. »Wir wollen Sie nicht länger stören.«
»Warum hatten Sie es plötzlich so
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