Mordsidyll
Frauen bei den Türken zu melden, hä? Nix, oder?«, blaffte Viktor die beiden an.
Er erhob sich und ging nervös im Raum auf und ab. Wieso musste er sich mit solchen Volltrotteln abgeben? Er war schon immer der Einzige gewesen, der was draufhatte. Während die beiden wie bunte Vögel herumrannten, achtete er auf eine vernünftige Tarnung. Er zog sich unauffällig an und sein Wohnzimmer war mit einer Schrankwand aus Eichenfurnier der Inbegriff deutscher SpieÃigkeit. Allein die drei Ikonenbilder, die auf Holz aufgezogen waren und an der Wand hingen, hatte er sich nicht nehmen lassen. Die ganze Schwermut der russischen Seele war dadurch präsent. Doch wie alles andere verrieten diese sentimentalen Zeugnisse nicht, dass er durch illegale Geschäfte wohlhabend geworden war. Nein, dazu war er viel zu clever. Den einzigen Luxus, den er sich gegönnt hatte, waren ein groÃer Plasmafernseher und ein Dolby-Surround-System. Während er im Alltag den Schlosser mimte, genoss er seinen Reichtum im Verborgenen: sei es ein Urlaub an der Côte dâAzur oder ein ordentlicher Besuch in einem Edelbordell. Nur noch wenige Jahre und er würde für den Rest seines Lebens nicht mehr arbeiten müssen. Er würde in seiner Villa auf der Krim mit seiner blassen Frau Kinder bekommen und wäre ein geachteter Mann, der sein Glück in Deutschland gemacht hatte.
Aber noch war es nicht so weit â im Gegenteil. Vor ihm lag noch viel Arbeit. Doch er hatte immer gespürt, dass er für gröÃere Aufgaben im Leben bestimmt war. Jetzt war seine Chance gekommen  â wenn die zwei Idioten ihm keinen Strich durch die Rechnung machen würden! Nicht nur dass Alexej und Roman affige Klamotten anzogen, nein, sie mussten auch noch dicke BMWs fahren! Das führte zwangsläufig zu Neidern, umso mehr sie keiner festen Arbeit nachgingen. Kein Wunder, dass sie häufiger Besuch von der Polizei bekamen. Das musste er bald ändern. Eine seiner ersten Aufgaben. Er hatte viel von Boris gelernt. Und er würde noch besser sein! Er würde den Türken das Geschäft kaputt machen!
»Vielleicht habt ihr tatsächlich recht und es war Mustafas Bande«, sagte Viktor nachdenklich. »Obwohl ich das Ganze noch immer für total absurd halte. Aber wir werden das herausbekommen. Ich überlege mir etwas. Sagt unseren Leuten noch nichts, verstanden?«
Die beiden Männer nickten. Roman hob sein Glas. »Auf Boris, wir werden ihn nie vergessen! Und auf dich Viktor, unseren neuen Boss!«
Viktor grinste und nahm einen kräftigen Schluck. Er gefiel sich in seiner neuen Rolle. Das Problem war nur, dass allein Boris über die direkten Kontakte verfügt hatte. Alle Lieferungen mit der gefälschten Ware waren über ihn gelaufen, selbst als er im Knast gesessen hatte. Nur er hatte die Hintermänner gekannt und dieses Geheimnis jetzt mit in sein Grab genommen. Doch er würde schon eine Lösung finden! Die Bosse in Russland wussten sicherlich, was zu tun war. Bestimmt setzten sie sich bald mit ihm in Verbindung  â und er würde ihnen einen Laden präsentieren, straff organisiert, der tipptopp lief.
Als sie ihren Wodka ausgetrunken hatten, begleitete Viktor seine Untergebenen in den Flur. Sie hatten, wie es sich gehörte, beim Eintreten ihre Schuhe ausgezogen, und beugten sich nun hinunter, um an den Schnürsenkeln zu nesteln.
»Sagt mal«, überlegte Viktor laut, während er die anderen von oben herab beobachtete. »Als ihr der Frau gefolgt seid, da seid ihr doch einen Waldweg hochgelaufen?«
»Ja â¦Â«, antwortete Roman zögerlich.
»Und war der Boden weich und matschig?«
»Glaubst du, wir haben Spuren hinterlassen?«, fragte Alexej.
»Ich glaube nicht nur, dass ihr Spuren hinterlassen habt, ich bin mir sicher! Her mit den Tretern!«, schrie Viktor ungehalten.
Er lieà sich die Schuhe der beiden aushändigen und warf sie in der Küche in den Mülleimer. »Leer ihn gleich aus!«, befahl er seiner Frau, die am Tisch saà und in einer Zeitschrift blätterte.
Bevor diese reagieren konnte, wandte er sich grinsend ab. Derart umsichtig hätte selbst Boris nicht gehandelt. Wenn jetzt nicht endgültig bewiesen war, dass er das Zeug zum Boss hatte!
»Und wie sollen wir jetzt nach Hause kommen?«, fragte Alexej vorsichtig. »Sollen wir etwa so Auto fahren? Und wenn uns jemand ohne Schuhe auf der
Weitere Kostenlose Bücher