Mordsidyll
Frühlingsgemüse⹠stand als Botschaft auf dem Plakat. Ruste fragte sich schmunzelnd, ob sich die Schlagzeile auf die abgebildete Frau oder auf den Korb mit Grünzeug bezog, den sie vor sich hielt. Wäre ja mal eine Abwechslung!
Wenn er es allerdings genau betrachtete, erinnerten ihn diese Models an seine Exfrau Sabine â ein Kapitel in seinem Leben, bei dem ihm das Lachen schnell verging. Eigentlich hatten sie zu Urzeiten sehr viel Spaà zusammen gehabt, doch dann war aus ihr nach und nach eine Art Heilige geworden. Im Grunde kein Wunder, dachte sich Ruste, als er seinen Blick über die nahe gelegenen Häuser Olpes schweifen lieÃ. Der ganze Ort bestand im Grunde aus Ãmtern, einer Handvoll Unternehmen und katholischen Einrichtungen. Angesichts der Ausdehnung des katholischen Besitzes konnte der Eindruck entstehen, die Mutter Kirche habe in Rom nur eine Zweigstelle eingerichtet. Und genau da begann das Problem mit seiner Ex. Nachdem Sabine sich zunächst mit Kuchenbacken in karitativen Einrichtungen engagiert hatte, waren schnell Gesprächsgruppen dazugekommen. Und dann Wochenendseminare und die Mitgliedschaft im Kirchenchor. SchlieÃlich hatte sie sich regelmäÃig mit anderen Frauen der Gemeinde zum Kaffee getroffen, um Religions- und Lebensfragen zu diskutieren. Er hingegen hatte damit nichts anfangen können.
Jeden Tag wurde er bei der Arbeit mit Delikten konfrontiert, die einen vom Glauben abkommen lieÃen. Er wusste, wie es hinter den gepflegten Vorgärten und den sauberen Fassaden tatsächlich aussah. Lange genug war er nun im Sauerland Polizist, um die trügerische Idylle zu durchschauen  â in Olpe ebenso wie in den umliegenden Dörfern. Das Verbrechen machte nicht am Waldrand oder an Weidezäunen halt, sinnierte Ruste, während er weiter aus dem Fenster starrte. Da er Tag und Nacht gearbeitet hatte, waren ihm und Sabine ohnehin nicht viel Raum für Zweisamkeit geblieben. Und dann hatte sie damit begonnen, ihn in den wenigen gemeinsamen Stunden bekehren zu wollen. Natürlich hatte er sich dagegen gewehrt! Niemand schrieb ihm vor, was er zu denken oder zu glauben hatte! Er wäre wunderbar damit klargekommen, dass jeder seine Art zu leben verfolgte, doch seine Ex hatte sich damit nicht zufriedengeben wollen. Sie könne nicht mit einem Zyniker zusammenleben! Rust schnaufte. Schnell war es zwischen ihnen eisig geworden und eines Tages hatte sie ihre Koffer gepackt. Damit hatte der Spuk wenigstens ein Ende genommen.
Ruste wandte sich seufzend Schröder zu. »Was tippen Sie da eigentlich die ganze Zeit?«
»Die Berichte unserer Ermittlungen. Und ich recherchiere.«
»Hm. Es wäre gut, wenn Sie auch einen Bericht schreiben würden, dass wir uns zwischendurch mit dem verschwunden Schützenvogel beschäftigen. Das könnte nicht schaden.«
»Kein Problem. Ich habe übrigens etwas richtig Interessantes gefunden.« Schröder zeigte mit einem Stift auf den Bildschirm. »Die Kölner Kollegen haben bei der Meinerzhagener Polizei nach dem Halter eines VW-Busses gefragt. Er stand am 22. April im Halteverbot und hat ein Knöllchen bekommen. An sich nichts Ungewöhnliches, aber jetzt kommt es: Am selben Tag hat in unmittelbarer Nähe eine Art Bandenkrieg in einer Diskothek stattgefunden. Verdächtig viele Besucher türkischer Herkunft wurden verletzt, es gab sogar Knochenbrüche. Aber aus den Zeugen ist nichts herauszubekommen. Die Meinerzhagener Beamten haben einen gewisser Roman Neufeld aus Kierspe als Halter des VW-Busses ausfindig gemacht, der einschlägig vorbestraft ist und als Mitglied der russischen Mafia gilt. Die Kölner Kollegen vermuten daher, dass es sich bei dem Vorfall in der Diskothek um einen Bandenkrieg zwischen der Türken- und der Russenmafia handelt, und wollten Neufeld vernehmen. Die Meinerzhagener Beamten haben ihn zu Hause nicht angetroffen und daher alle Polizeidienststellen in den umliegenden Kreisen alarmiert, nach dem VW-Bus Ausschau zu halten. Da ja Boris Wassiljew ebenfalls aus Kierspe kommt und zudem der Russenmafia angehören soll, kam mir die Idee, dass vielleicht ein Zusammenhang mit dem Mordanschlag vor der JVA besteht.«
Ruste verschlug es fast die Sprache, doch er riss sich vor seinem Schützling zusammen. »Und ob es da einen Zusammenhang gibt. Das können wir ganz leicht feststellen. Haben Sie mittlerweile die Besucherliste aus der JVA? Ich wette,
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