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Mordsidyll

Mordsidyll

Titel: Mordsidyll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Zandecki
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der Kühe übertönt. Anna schaute erstarrt zu, wie sich das Loch schnell vergrößerte. Er besaß offensichtlich große Kräfte. Nach nur wenigen Hieben war die Öffnung breit genug, dass sein hässliches Boxergesicht zu sehen war.
    Als er Anna erblickte, schrie er sie wutentbrannt an: »Entweder du machst auf, oder ich knall dich ab.« Drohend hob er seine Pistole nach oben, sodass Anna die Spitze des Laufes erkennen konnte.
    Der Anblick der Waffe löste sie aus ihrer Erstarrung. Schnell rannte sie aus dem Sichtfeld des Eindringlings. Während die Axt wieder lautstark auf das Tor niedersauste, öffnete Anna eine der Absperrungen, hinter denen sich die Kühe ängstlich aneinanderdrückten. Sie zwängte sich mit aller Kraft zwischen die Tiere und versuchte, sie in Richtung Ausgang zu treiben, doch die Herde drängte immer wieder zurück.
    Â»Los, lasst mich nicht im Stich. Ich brauche eure Hilfe«, rief Anna verzweifelt und schob die Leitkühe nach vorn. Um ihren Worte Nachdruck zu verleihen, schlug sie ihnen aufs Hinterteil. »Macht schon, ihr Mistviecher! Ich kümmere mich jeden verdammten Tag um euch. Jetzt könnt ihr euch revanchieren!«
    Ein lauter Knall ließ Anna innehalten. Sie ging in Deckung und lugte zwischen den Tieren hindurch zum Tor. Das Boxergesicht hatte es geschafft, durch das Loch hindurch den Riegel zu lösen. Das breite Tor rollte zur Seite. Ihr Verfolger hatte freie Bahn.
    Anna verschanzte sich hinter ihrer Herde. Sie kniff und trat die Kühe unmittelbar vor sich, die sich zwar lautstark beschwerten, aber dennoch nach vorn drängten. Einer Kettenreaktion gleich bewegten sich die Tiere nacheinander und binnen weniger Sekunden schob sich die gesamte Herde dem Ausgang entgegen. Anna nutzte die Gunst der Stunde, drängte sich zwischen Enid, Isabel und Rebecca und ließ sich von ihren geliebten Schriftstellerinnen mitreißen.
    Ein lautes »Verdammt« und ein stumpfer Aufprall signalisierten Anna, dass der ungebetene Gast ihren Kühen aus dem Weg gegangen war – oder eher gehechtet. Doch sehen konnte sie das Boxergesicht zwischen all den Tieren nicht. Grinsend tätschelte Anna die Flanke von Isabel, die ungerührt neben ihr her trabte. Sie hoffte inständig, dass die Rinder zur Wiese nahe dem Bauernhaus laufen würden, doch die Herde kam bereits einige Meter vor dem Kuhstall zum Stehen. Anna spähte vorsichtig über den Rücken der Kühe. Das Boxergesicht war aus dem Stall herausgelaufen und ließ aus wenigen Metern Entfernung seinen Blick suchend über die Herde schweifen. Es war nur eine Frage von wenigen Minuten, bis er Anna in dem Gewühl entdecken würde.
    Sie durfte nicht zögern, sondern musste sofort handeln. Ihre einzige Chance war der Kälbchenstall nebenan. Zwar würde sein Holztor einer Axt ebenfalls nicht standhalten, allerdings befand sich dort die Mistgabel. Außerdem war Anna in bester körperlicher Verfassung, während ihr Widersacher stämmig und plump war. Sie hatte eine Chance. Anna rannte los, ohne sich umzusehen.
    Â»Bleib stehen. Mach es nicht noch schlimmer!«, brüllte ihr Verfolger hinter ihr.
    Anna sprintete zum kleinen Stall, schob das Tor einen Spalt auf und schlüpfte hindurch. Als sie es gerade zuziehen wollte, spürte sie einen Widerstand. Zentimeter um Zentimeter vergrößerte der Eindringling die Öffnung. Anna stemmte sich fest dagegen und zerrte mit aller Kraft am Griff. Ihre Gummistiefel rutschen ständig auf dem glitschigen Untergrund weg. Nichts gab ihr Halt. Er war stärker als sie.
    Anna ließ das Tor zurückschnappen, sodass das Boxergesicht leicht nach hinten fiel. Noch bevor er sich wieder fangen konnte und das Tor ganz öffnete, sprintete sie zu einer Box, in der eine trächtige Kuh stand. An die Mistgabel war jetzt nicht mehr zu denken. Anna hatte keine Zeit, sie zu suchen, stattdessen warf sie sich in einer Ecke des Abteils auf den Boden und verteilte das mit Kuhmist vermischte Stroh über ihrem Körper. Es war zwar eine reichlich dämliche Idee, sich hier verstecken zu wollen, aber immerhin hatte sie eine.
    Â»Was soll dieses alberne Versteckspiel? Ich weiß, dass Sie hier sind. Ich finde Sie. Kommen Sie lieber von allein raus!«, brüllte das Boxergesicht. Er konnte nicht mehr allzu weit weg sein.
    Anna hielt den Atem an. Genau in diesem Augenblick muhte die schwere Kuh neben ihr laut. Bevor sie

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