Mordsidyll
dieser Roman Neufeld steht darauf. Und dann haben wir eine Spur!« Endlich kam Bewegung in den Fall und Ruste musste sich nicht weiter um diesen dämlichen Schützenvogel kümmern.
»Nein, leider habe ich die Liste noch nicht«, zerstörte Schröder kleinlaut seinen Enthusiasmus.
»Wie? Sie sollten die doch längst anfordern«, fauchte Ruste ärgerlich.
»Habe ich doch. Aber meine E-Mails kommen immer wieder zurück. Empfänger unbekannt. Es ist fast so, als ob die JVA vom Internet abgeschnitten ist. Ich wollte anrufen, sobald ich die Berichte fertig habe.«
»Ach was. E-Mail, anrufen ⦠So etwas erledigt man auf direktem Wege. Kommen Sie! Wir fahren hin, das geht schneller«, rief Ruste und zog sich seine verwaschene Jeansjacke an.
*
Entsetzt blickte Anna den Mann an, der in einigen Metern Abstand vor ihr stehen geblieben war. Sie zielte mit der Waffe auf den Boden vor ihn.
»Keinen Schritt weiter! Wer sind Sie?«, rief sie streng und tastete gleichzeitig mit der freien Hand nach der lärmenden Güllepumpe, um sie abzustellen. Den Fremden lieà sie dabei keine Sekunde aus den Augen. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass der nächtliche Eindringling vor ihr stand. Obwohl sie sein Gesicht nicht gesehen hatte, war sie sich sicher. Die Statur stimmte haargenau mit der jener Gestalt überein, die nachts über den Hof gehuscht war. Und es konnte kein Zufall sein, dass nur einen Tag nach dem Einbruch ein Mann mit eben dieser Statur aus heiterem Himmel bei ihr auftauchte.
Der Mann hob entschuldigend die Hände und lächelte sie stumm an. In diesem Moment nahm Anna etwas Dunkles aus dem Augenwinkel war, das unmittelbar an ihrem Kopf vorbeiflog. Erschrocken blickte sie auf. Es war eine Krähe, die sich am Rand des Stalldaches niederlieÃ, mit einer Scheibe hart gekochtem Ei im Schnabel, die sie nun fallen lieà und genüsslich aufpickte.
Sie war von diesem ungewöhnlichen Anblick einen Moment zu lang abgelenkt, denn ihr Gegenüber kam einige Schritte heran. Hastig zielte Anna mit dem Lauf ihres Gewehres wieder auf ihn. »Halt! Oder ich schieÃe!«
»Aber, aber, wer wird denn gleich gewalttätig werden«, sagte der Mann beschwichtigend. »Ich will doch nur etwas abholen, das Ihnen nicht gehört. Dann bin ich gleich verschwunden. Geben Sie mir die CD!«
Anna drohte, den Boden unter den FüÃen zu verlieren. Das hatte er also in ihrem Haus gesucht. Aber woher wusste er von der CD? Wer war er? Ein Polizist sicher nicht, so sah er nicht aus.
Sie erschrak, als das Boxergesicht entschlossen auf sie zu schritt. Blitzschnell zielte sie mit der Flinte auf den Boden vor ihm und betätigte den Abzug. Doch lediglich ein leises Klicken war zu hören. Anna lieà sich nicht beirren und richtete das Gewehr auf die Beine des Mannes, um ihn mit einer gezielten Schrotladung endgültig aufhalten. Wieder geschah nichts. Ihr Gegner stand unversehrt vor ihr.
Er griff in seine Tasche und holte grinsend zwei Patronen vor. »Beim nächsten Mal sollten Sie sich vorher vergewissern, ob die Waffe geladen ist. Ich hatte vorhin erfreulicherweise die Gelegenheit, erneut Ihr schönes Haus zu besuchen, und da dachte ich mir, es sei besser, wenn ich die mal an mich nehme. Sie könnten ja noch jemanden verletzen, oder?«
In Anna regte sich der Fluchtimpuls. Ihre Muskeln spannten sich an und ihr Körper begann, nahezu unmerklich zu zucken. Der Mann reagierte sofort und zog aus seinem Hosenbund eine Pistole.
»Na, na. Die ist geladen«, ermahnte er sie, den Lauf auf sie gerichtet.
Anna nahm all ihren Mut zusammen. Sie setzte an zu sprechen, doch im ersten Moment versagte ihre Stimme. Zitternd stieà sie hervor: »Was wollen Sie?«
»Nur die CD. Geben Sie sie mir und niemandem passiert etwas.«
»Ich weià nicht, wovon Sie sprechen«, log Anna, während sie überlegte, wo sie die CD gelassen hatte. Steckte sie nicht noch im Radio im Kuhstall?
»Ich spreche von der CD, die Sie dem Mann weggenommen haben, den Sie mit einem Messer vor der JVA erstochen haben«, antwortete der Fremde ungerührt.
Anna schluckte. Weiter zu leugnen hatte offensichtlich keinen Sinn, ihr Mordversuch war also nicht unbemerkt geblieben. Wollte das Boxergesicht sie erpressen? Und wieso wollte er unbedingt diese unbrauchbare CD? Zahlreiche Fragen schossen ihr durch den Kopf. »Wer garantiert mir, dass Sie mir nichts
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