Mordsidyll
schwarze Scherenschnitte vor dem Himmel ab. »Gleich ist es stockdunkel, aber ich lass die Lichter lieber aus, oder was meinst du?«
»Mach, was du willst!« Tim verschränkte seine Arme vor der Brust und starrte stur in den AuÃenspiegel auf seiner Seite. »Oh ScheiÃe â¦Â«, entfuhr es ihm plötzlich.
Alarmiert schaute Anna in ihren Seitenspiegel. Hinter ihnen flogen die Lichtkegel eines Wagens über die Hügel. Mit einem Satz landete das Auto holpernd auf dem rutschigen Boden und brach aus, doch der Fahrer brachte es sofort wieder unter Kontrolle. Schlamm spritzte im hohen Bogen, als es zurück auf Kurs gebracht wurde und genau auf sie zuhielt.
»Gib verdammt noch mal Gas!«, brüllte Tim.
Anna trat das Gaspedal voll durch, kuppelte und schlug krachend die Gänge rein. Der Traktor gewann schnell an Tempo, doch gegen den Wagen hatte die schwere Landmaschine keine Chance. Trotz seines Schlingerns kam er immer näher. Anna erkannte schemenhaft im Rückspiegel, wie sich jemand aus dem Beifahrerfenster herauslehnte. Nahezu zeitgleich hörte sie einen lauten Knall, gefolgt von einem metallischen, stumpfen Geräusch. Die Kugel war offensichtlich in den Gülleanhänger eingeschlagen.
»Nun mach doch was, die haben uns gleich!«, rief Tim panisch. Der Wagen hinter ihnen holte deutlich auf. Trotz des fahlen Abendlichtes konnte Anna nun erkennen, dass sie von einem dunklen BMW verfolgt wurden. Sie schaute nach vorn zum Waldrand, der ihr wie eine rettende Insel vorkam. Doch es waren immer noch einige hundert Meter.
»Schneller, schneller!«, trieb Tim sie vom Beifahrersitz aus an.
»Verdammt, was glaubst du, was ich mache? Mehr schafft die Maschine nicht!«, schimpfte Anna aufgeregt zurück.
Zwei Schüsse übertönten den aufheulenden Motor. Eine Kugel schlug erneut lautstark in den Anhänger ein, während die andere das rechte Hinterrad traf. Anna spürte sofort in der Lenkung, wie der Traktor aus der Spur zog. Eine ruckartige Bewegung und das Fahrzeug samt Anhänger würde kippen. Sanft steuerte sie dagegen und versuchte, mit geradem Kurs auf den Waldrand zuzuhalten. Erneut schlug ein Schuss in den hinteren Reifen ein. Der schwere Traktor drohte, jeden Moment auszubrechen. Unter gröÃter Anstrengung gelang es Anna, den Luftverlust auszugleichen.
Im Seitenspiegel war mittlerweile die Motorhaube des BMW zu sehen. Der Beifahrer hing mit seinem halben Oberkörper aus dem Fenster und versuchte, an dem Anhänger vorbei auf die Räder des Traktors zu zielen.
»Verdammt, machen Sie endlich was!«, rief Tim verzweifelt.
Anna legte einen Hebel an der Bedienkonsole um. Als Tim sie fragend anblickte, deute sie nur lächelnd mit dem Daumen hinter sich. Aus der Auslassdüse des Anhängers schoss die Gülle in hohem Bogen heraus. Der kräftige Schwall klatschte mit voller Wucht auf die Windschutzscheibe des BMWs. Sofort kam der Wagen ins Schleudern und schlitterte über die aufgeweichte Weide.
»Cool! Das hast du gut gemacht!«, jubelte Tim und schlug Anna freudig auf die Schulter.
Doch Anna wusste, dass sie nur Sekunden, höchstens eine Minute, gewonnen hatte.
Tim öffnete hingegen wagemutig das Seitenfenster und riskierte einen Blick nach hinten. »Der Wagen steht. Die haben den ganzen Mist auf dem Auto.« Er lachte erleichtert. »Das musst du sehen, der Typ, der sich aus dem Fenster gebeugt hat, ist voller ScheiÃe!«
Anna sah im Spiegel, dass der Fahrer ausstieg und die Gülle mit der Hand von der Scheibe wischte. Dann konzentrierte sie sich wieder aufs Fahren. Der Traktor lieà sich immer schwerer lenken. Fast die gesamte Luft war aus dem getroffenen Reifen entwichen. Als wieder ein Drahtzaun vor ihr auftauchte, drosselte sie das Tempo. »Festhalten!«, warnte sie Tim.
Doch dieses Mal verlief es nicht ohne Schaden. Der Stacheldraht riss und wickelte sich um die Vorderachse. Sein loses Ende schlug wie eine Peitsche gegen die Fahrerkabine. Der Traktor rutschte einen kleinen Abhang am Weiderand hinunter und krachte mit einem heftigen Schlag auf den Waldweg. Tim flog fast bis unter die Kabinendecke und landete unsanft auf dem Sitz. Als Anna das Lenkrad um fast 90 Grad drehte, um dem Wegverlauf zu folgen, wurde er zur Seite geschleudert und landete mit dem Oberkörper halb auf Anna. Unsanft drückte sie ihn weg. Bald hatten sie es geschafft, gleich würden sie das Dorf
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