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Mordsidyll

Mordsidyll

Titel: Mordsidyll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Zandecki
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    Plötzlich riss eine Kugel ein faustgroßes Loch in die Plexiglasscheibe neben Tim und pfiff haarscharf an ihren Köpfen vorbei. Daran hatte Anna nicht gedacht. Die Verfolger konnten nun vom Feld aus die Beifahrerseite unter Beschuss nehmen. In der komplett verglasten Kabine gaben sie ein einfaches Ziel ab.
    Mit aller Kraft trat Anna auf die Bremse. Der Traktor grub sich in den Schotter ein, sodass der schwere Gülleanhänger ihn von hinten aus der Spur drückte. Sie schaltete den Motor aus. »Hinter mir her, schnell«, forderte sie Tim auf und sprang auf der geschützten Fahrerseite aus dem Traktor heraus. Tim hechtete kopfüber hinter ihr her und bremste den Sturzflug mit seinen Händen an den Treppenstufen ab. Genau in diesem Moment splitterte das Beifahrerfenster mit einem lauten Knall.
    Tim rappelte sich auf. »Keine Sekunde zu spät, was?«
    Â»Los, wir müssen da durch und über den Berg«, zischte Anna und sprintete das steil ansteigende Waldstück hinauf, das dicht mit Fichten bewachsen war. »Keine Angst, ich kenne mich hier aus. Im Dunkeln können wir die Männer bestimmt abschütteln«, sagte sie zu Tim, der sich hinter ihr durch das Laub vorantastete. »Aber ein bisschen schneller, wenn’s geht!«

    *

    Georg Winkelmann pustete sich in die Hände und rieb sie aneinander, um sie zu wärmen. Neben ihm standen Karl Wörner und Manfred Steffens in ihren grünen Jägersachen. Obwohl die Hosen und Jacken dick ausgepolstert waren, fröstelten sie. Es versprach eine der klaren Aprilnächte zu werden, die im Sauerland erfahrungsgemäß eiskalt ausfielen. Wörner reichte Winkelmann seinen mit Cognac gefüllten Flachmann, während Steffens sich heißen Tee aus seiner Thermoskanne eingoss.
    Â»Bin mal gespannt, ob wir heute den Fuchs erwischen«, meinte Winkelmann. »Der kommt langsam viel zu nah ans Dorf heran.«
    Â»Wir haben gleich einen freien Himmel. Sobald der Mond aufgeht, ist die Sicht bestimmt gut«, erwiderte Wörner leise. Er setzte das Fernglas an und suchte den dichten Wald vor ihnen ab.
    Winkelmann und seine zwei alten Freunde hatten in den letzten Wochen in ihrem gemeinsamen Jagdgebiet am Rande von Ratemicke vermehrt die Losung von einem Fuchs gefunden. Der Kot war ein Hinweis darauf, dass dies sein bevorzugtes Revier war. Aufgrund der Spurenlage hatten sie sich entschlossen, sich heute statt auf dem Hochsitz am Boden auf die Lauer zu legen.
    Â»Es könnte wirklich etwas wärmer sein«, bemerkte Winkelmann knapp, während er durch das Fernrohr seines Kleinkaliberjagdgewehrs über den Stapel von Baumstämmen lugte, hinter dem sie sich verschanzt hatten.
    Er registrierte mit Wohlwollen, dass seine Kollegen nicht auf seine Bemerkung eingingen. Es war eben gute, alte sauerländische Tradition, bei der Jagd still zu sein. Ganz anders war das mit Leuten aus der Stadt, die mit ihrem Gequatsche nur die Tiere scheu machten. Manchmal hatte Winkelmann den Eindruck, diese Möchtegernjäger nahmen die Pirsch nicht ernst. Doch gerade zu dieser Stunde, wenn die Sonne unterging, begann das Rascheln und Knacken, wenn sich das Wild durch das Unterholz bewegte. Gerade jetzt galt es, ruhig zu sein und den Stimmen des Waldes zu lauschen …
    Der aufheulende Motor eines Traktors riss Winkelmann aus seinen Gedanken.
    Â»Was soll das denn?«, fragte Steffens erstaunt.
    Â»Hörte sich so an, als ob das Geräusch von Annas Hof kommt …«, antwortete Wörner, als plötzlich zwei Schüsse fielen.
    Â»Das ist aber sehr seltsam. Wer jagt denn heute? Und vor allem bei Annas Hof?«, gab Winkelmann zu bedenken.
    Das Motorgeräusch wurde immer lauter. Wieder hallten Schüsse durch den Wald.
    Â»Das sind keine Gewehre«, meinte Steffens.
    Â»Natürlich ist das ein Gewehr!«, widersprach Wörner. »Ich frage mich nur, wer hier in unserem Revier jagt?«
    Die drei alten Jäger lauschten angestrengt. Das Dröhnen des Traktors hatte jetzt den Waldweg unterhalb ihres Jagdpostens erreicht. Mit einem Mal erstarb der Motor, weitere Schüsse ertönten.
    Â»Das ist aber nah. Da stimmt was nicht. Sollen wir nachschauen?« Steffens sah seine Jagdgefährten fragend an.
    Â»Was sollen wir im Dunkeln machen? Wir bleiben besser hier und warten ab«, antwortete Wörner.
    Angestrengt blickten alle drei durch ihre Ferngläser, doch die Bäume standen so dicht,

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