Mordsidyll
zeigte sich nun am Himmel und leuchtete ihnen den Weg. »Wir haben es gleich geschafft«, sprach Anna Tim Mut zu.
Sie zog ihn am Arm mit sich. Die Aussicht, bald in Sicherheit zu sein, schien ihn zu beflügeln. Er mobilisierte nochmals alle Kräfte und schloss schnell zu ihr auf. Schon nach wenigen Minuten erreichten sie völlig verschwitzt die ersten Häuser. Anna hielt direkt auf die âºDorfschenkeâ¹ zu.
Als sie mit Tim eintrat, schaute sie Jutta, die Wirtin, verwundert an. Auch der einzige Gast, der Schreiner Bernd, blickte erstaunt von seinem Bierglas auf.
»Wie seht ihr denn aus?«, fragte Jutta. »Habt ihr die Schüsse im Wald gehört? Habt ihr etwa was damit zu tun?«
»Tut mir leid, Jutta, ich habe jetzt keine Zeit für Erklärungen. Kann ich mal dein Telefon benutzen?«, erwiderte Anna.
Jutta runzelte die Stirn und reichte ihr den Apparat. Anna wählte die Handynummer von Ronald. Glücklicherweise war sein Gerät eingeschaltet. Ihr Freund hob nach nur wenigen Freizeichen ab, meldete sich jedoch in einem barschen Ton, als ob er sich gestört fühle. Als er aber ihre Stimme erkannte, klang er sofort freundlicher.
»Ronald, hör zu, es ist sehr dringend. Ich kann dir jetzt nicht alles erzählen.«
Jutta und Bernd spitzten die Ohren. Offensichtlich genossen sie die Aufregung in dem sonst so ereignislosen Ratemicke. Anna wandte sich vom Tresen ab und hielt ihre Hand vor die Sprechmuschel: »Ronald, ich brauche ganz dringend deine Hilfe. Ich werde verfolgt. Jemand hat auf mich geschossen. AuÃerdem ist Tim Mazcevski bei mir. Ronald, ruf auf keinen Fall die Polizei an, das bringt nur noch mehr Ãrger. Du musst mich hier abholen und in Sicherheit bringen.«
»Wo?«, fragte Weber am anderen Ende.
»Bei Jutta in der âºDorfschenkeâ¹ in Ratemicke.«
»Keine Sorge, ich komme sofort.«
Anna reichte Jutta das Telefon und bedankte sich. Tim, der völlig verdreckt und erschöpft war, hielt sich mit Mühe auf einem Hocker am Tresen aufrecht. Jutta beäugte den jungen Mann. Ein groÃes Fragezeichen stand ihr ins Gesicht geschrieben, doch sie hielt sich zurück. Statt Tim auszuquetschen, setzte sie ein hilfsbereites Lächeln auf. »Ihr seht aus, als ob ihr einen Schnaps gebrauchen könntet. Komm, der geht aufs Haus.«
Anna schüttelte den Kopf. »Danke, das ist lieb, aber wir müssen gleich weiter. Wir hatten eine Panne. Sonst nichts.«
»Dann nehme ich die zwei«, meldete sich Schreiner Bernd zu Wort. Die Wirtin rollte mit den Augen, gab ihm einen Schnaps und gönnte sich selbst einen. Anna ging in Richtung Tür und gab Tim ein Zeichen, ihr zu folgen. Gemeinsam traten sie in die kalte Aprilnacht hinaus. Sie sondierte die Lage. Keine Menschenseele bewegte sich auf der DurchfahrtsstraÃe durch Ratemicke. Sie führte Tim zum Parkplatz, der neben der Kneipe auÃerhalb des Lichtkegels der StraÃenlaternen in der Dunkelheit lag.
»Warum konnten wir nicht da drin warten und die Polizei rufen?«, fragte Tim.
»Weil ich keine Polizei gebrauchen kann. Schon die Leiche im Güllebecken vergessen? AuÃerdem will ich die Leute in der Kneipe nicht in Gefahr bringen. Es kann gut sein, dass die Verfolger hier auftauchen.«
Tim verzog missmutig das Gesicht. »Na klasse! Da stellen wir uns lieber hier drauÃen hin und lassen uns abknallen, oder was?«
»Tim, es tut mir unendlich leid, dass ich dich in die Sache hineingezogen habe. Ich habe gerade Ronald angerufen, einen guten Freund von mir. Er war heute Nachmittag auf dem Hof. Da hast du ihn kurz gesehen. Er holt uns ab und hilft uns.«
Tim drehte sich beleidigt zur Seite. Der arme Junge zitterte am ganzen Körper. »Am besten gehen wir doch noch mal hinein und rufen dir ein Taxi«, schlug Anna vor. »Du übernachtest in einem Hotel, dort bist du sicher. Du kannst dich dann bei mir melden und ich erkläre dir alles. Das ist doch eine gute Idee, oder?«
Tim wackelte stumm mit dem Kopf. Anna deutete die Bewegung erleichtert als Zustimmung. Sie wollte gerade wieder zur Kneipe gehen, als Tim entgegnete: »Abgelehnt. Du steckst in mächtigen Schwierigkeiten, und ich habe sehr viel bei dir gutzumachen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass sich nun die Gelegenheit ergibt. Ganz gleich, was vorgefallen ist, ich helfe dir.«
Resigniert lieà Anna die Schultern sinken. Der Gedanke gefiel ihr überhaupt nicht. Wer
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