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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Kochkünste hatten überzeugt, das war Tante Lillis französischer Einfluß. Hermann Ullrich entkorkte gerade die vierte Flasche Bordeaux, ebenfalls eine Empfehlung von Lilli, der unbestrittenen Expertin.
    Daß Hermann seine Frau Barbara hierher begleitet hatte, wunderte Paula, denn Dr. Hermann Ullrich war ein vielbeschäftigter Mann, ein »Gschaftlhuber«, wie man hierzulande sagte. Er leitete die größte Steuerkanzlei am Ort, war Vorstand im Rotary-Club, in diversen anderen Vereinigungen aktiv, und seine Mitgliedschaft im Kulturausschuß des Stadtrates hatte sich günstig auf die Finanzdecke des Bachgassen-Theaters ausgewirkt. Seit einigen Jahren durfte die rührige Amateurtruppe, inzwischen das kulturelle Aushängeschild der Stadt, das ehemalige Stadttheater in der Bachgasse ganzjährig benutzen. Die Stadt brauchte das alte, strenggenommen baufällige Haus in der Altstadt nicht mehr, seit sich der Bürgermeister mit einer modernen Kulturhalle sein Denkmal gesetzt hatte. Dementsprechend war es ungeschriebenes Gesetz, daß Barbara stets die weibliche Hauptrolle spielte, was wiederum mindestens drei ausverkaufte Vorstellungen allein durch ihre und Hermanns Anhängerschaft garantierte.
    Anfangs. vor etwa fünf Jahren, war Paula höchst skeptisch von Barbara beäugt worden, die bei jeder weiblichen Person über dreißig den Dolch im Gewande vermutete. Immerhin war Paula Nichte und Ziehtochter von Lilli Schimmel, die in den sechziger und siebziger Jahren eine bedeutende Bühnenschauspielerin gewesen war. Da Paula jedoch aus Zeitgründen nur Anspruch auf kleine Rollen erhob, bestand inzwischen sogar so etwas wie ein Vertrauensverhältnis zwischen Barbara und ihr. Das hatte durchaus Vorteile für sie. Kaum jemand kannte die Strukturen dieser Stadt besser als Barbara Ullrich, und dank ihr erfuhr Paula oft lange vor ihrem Kollegen Schulze oder ihrem Chef Weigand, welche Neuigkeiten und Skandälchen in der Gerüchteküche von Maria Bronn brodelten und welches Süppchen der Stadtrat gerade kochte.
    Mit Barbara und Doris war das anders. Sie umkreisten sich zu Beginn jeder Saison wie zwei Boxer im Ring, und so konnte Barbara sich auch jetzt nicht verkneifen, zu fragen, was sie natürlich schon längst wußte: »Doris, stimmt es, daß dein Mann zur Zeit auf, wie sagt man … na, eben im Ausland ist?«
    Doris antwortete betont liebenswürdig: »Das stimmt. Er leitet ein Projekt in Saudi-Arabien.«
    »Puh!« Barbara schüttelte so heftig den Kopf, daß ihr Ohrschmuck in gefährliche Schwingungen geriet. »Da wäre ich auch nicht mitgegangen. Du mit deinem blonden Haar hättest sicher verschleiert auf die Straße gehen müssen. Hast du denn eine Möglichkeit für Max, ich meine, eine Betreuung, für die nächste Theatersaison?«
    Max, dachte Paula, schon wieder Max. Sie goß sich Wein nach. Es war bereits das dritte oder vierte Glas, sie mußte langsam aufpassen.
    »… werde nicht wegkönnen«, hörte sie Doris antworten, worauf Barbara tirilierte: »Das finde ich aber sehr schade, wo du doch wirklich gute Ansätze hast.«
    »Stimmt«, mischte sich jetzt Karlheinz Weigand ein, »in diesem Kriminalstück vor zwei Jahren waren Sie fabelhaft, als durchgedrehtes Hausmädchen. So real und lebensecht! Auch kleine Rollen haben es in sich.«
    Barbaras Mund wurde zum Strich, Doris bedankte sich. Sie versprühte schon den ganzen Abend eine heitere Gelassenheit, nicht einmal Barbara konnte sie aus der Reserve locken.
    Innerlich seufzte Paula. Sie mochte ihren Chef, aber mußte er denn unbedingt den ganzen Abend mit Doris flirten, so daß seine Inge bereits angesäuert wie Brotteig war? Und jetzt vergrätzte er auch noch Barbara.
    Aber Doris war seit Jürgens Abreise zu besagtem Projekt, die in diesem Sommer ziemlich überraschend, um nicht zu sagen überstürzt stattgefunden hatte, streng auf ihren Ruf als treue Gattin bedacht. Diplomatisch tat sie, als würde sie Weigands Avancen nicht bemerken, und verstrickte statt dessen seine Frau in eine Fachsimpelei über fleischlose Gerichte. Zu Paulas großer Verblüffung war Doris heute vom Glauben abgefallen und hatte zwei ordentliche Scheiben Rinderbraten mit sichtlichem Genuß verspeist.
    Paulas schon leicht bordeauxgetrübter Blick begegnete dem von Siggi Fuchs. Er war der Mann, der sich von Jahr zu Jahr breitschlagen ließ, den Haufen mehr oder weniger eitler Selbstdarsteller so weit zu disziplinieren, daß am Ende eine recht brauchbare Theatervorstellung herauskam. Siggi grinste.

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