Mordskind: Kriminalroman (German Edition)
es schon ein Auto sein mußte, hätte sie viel lieber ein unauffälligeres gehabt, aber wie sollte sie Lilli das beibringen, ohne sie zu kränken?
Jäckle wies hinter sich, auf das blaue Haus. »Wie nimmt sie’s denn so?«
»Schwer zu sagen. Nach außen hin gefaßt. Jürgen ist ja noch bei ihr, ich sehe sie deshalb nicht so oft. Aber soweit ich weiß, fährt er morgen wieder zurück.«
»Nach Saudi-Arabien.«
»Sehr komisch.«
»Du wirst dich ein bißchen um sie kümmern?«
»Spricht jetzt der fürsorgliche Mitmensch oder der Kriminaler aus dir?«
»Beides«, grinste Jäckle, »ich bin eine gespaltene Persönlichkeit, aber wer ist das nicht? Dich könnte ich mir gut vorstellen, wie du nachts als Vampir durch deinen verwunschenen Gärten schleichst.«
Darüber konnte Paula nicht lachen. Sie verabschiedete sich knapp und ging zurück ins Haus.
»Ein netter Mensch«, sagte Lilli. »Ich kenne, seinen Vater, diesen Heimatschriftsteller. Das Komische ist, sein Vater, der Schriftsteller, ist so ein richtig männlicher, vierschrötiger Typ. Könnte in jedem Western den Sheriff spielen.« Sie rollte die Augen und schnalzte genießerisch mit der Zunge. »Zumindest zu meiner Zeit, ich habe ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen, etwa dreißig Jahre. Aber sein Sohn, der Polizist«, sie lachte kurz auf, »ich finde, der sieht aus wie ein jüdischer Talmudstudent, der ein bißchen zu lang geraten ist.«
»Das werde ich ihm gelegentlich sagen«, drohte Paula. »Aber kannst du mir mal verraten, was der heute hier wollte? Am Telefon faselte er was von neu aufgetauchten Fragen. Der ist doch jetzt genauso schlau wie vorher.«
»Das weiß man nicht. Außerdem, du gefällst ihm eben, das sieht doch ein Blinder.«
Paula bestritt das mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Typisch Lilli, du siehst überall verliebte Männer.«
»Vom Wein und von Männern verstehe ich was, glaub mir, Kind«, sagte Lilli bestimmt. »Und der Jäckle, der weiß mehr, als er zugibt.«
»Was ist, wenn ihm wegen seiner Eitelkeit noch der Mörder durch die Lappen geht?«
»Lappen? Diese Ausdrucksweise! Nein, das wird nicht passieren. Ich glaube, daß er hier lebt, sozusagen mitten unter uns. Nur, die Sache mit der Zeit …« Sie unterbrach sich. »Ach, übrigens, die Familie dieser Katharina Lampert – sind die wohlhabend?«
»Die? Ganz im Gegenteil. Sie haben eine Nummer zu groß gebaut und stecken bis zum Hals in Schulden. Der Vater ist arbeitslos.«
»Seltsam.«
»Wieso seltsam? Die ganze Siedlung lebt doch auf Pump. Vielleicht mögen sie mich deswegen nicht, ich bin als einzige hier hypothekenfrei.«
»Und Doris.«
»Ja, die auch. Ihre Eltern haben ihr das Haus gekauft.«
»Trotzdem seltsam. Erst gestern habe ich das Mädchen gesehen. Auf einem nagelneuen Fahrrad.«
»Ich habe nicht gesagt, daß sie am Verhungern sind. Dafür geht sie ja babysitten.«
»Das war ein Mountainbike für gute zweitausend Mark.«
»Seit wann kennst du dich mit Mountainbikes aus?« fragte Paula ein bißchen herablassend.
»Seit ich selbst eines besitze«, lautete die stolze Antwort. »Es ist zufällig das gleiche Modell wie Katharinas.«
»Habe ich richtig gehört? Du fährst mit einem Fahrrad im Dreck herum?« Paula sah ihre Tante entgeistert an, dann mußte sie lächeln. »Wie heißt er?«
»Also bitte! Muß denn immer ein Mann hinter einem neuen Hobby stecken?« ereiferte sich Lilli künstlich.
»Bei dir schon. Und jetzt raus damit!«
»Ich bin eine unabhängige, vermögende Frau. Ich darf mir doch wohl noch einen Kavalier zulegen, wann es mir paßt?«
»Natürlich. Ich will es ja bloß wissen.«
»Er heißt Arthur, aber dafür kann er nichts.«
»Wieviel Jahre ist er jünger als du?«
»Knappe zehn.«
»Du läßt nach.«
»Dafür sieht er wirklich noch gut aus. Was sollte ich denn mit einem Greis anfangen?«
»Stimmt, der wäre nach einer Woche reif für die Kiste. Aber was wolltest du eigentlich mit dieser Fahrradgeschichte andeuten?«
»Ach, gar nichts«, Lilli leerte ihre Tasse, stand auf und trug ihr Gedeck in Richtung Küche. Unter der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Dieser Max war schon ein ziemliches Biest, nicht wahr? Ich habe ihn bloß ein paarmal gesehen, aber das hat mir gereicht. Wie wurde denn Doris damit fertig?«
»Sie hat ihn dauernd verteidigt. Er hätte eben ein aufbrausendes Temperament. Sie fand immer Gründe, ihn zu entschuldigen. Am Anfang waren’s die Zähne, dann die Trotzphase, zuletzt die Abwesenheit des
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