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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Mal begann Simon zu lächeln. Was für ein Glück. Es war kein fremder Mann. Den hier, den kannte er.
    »Wo willst du eigentlich hin?« fragte Hofer, als sie eine rote Ampel überfuhren.
    »Zur alten Ziegelei natürlich.«
    »Natürlich?«
    »Er war und ist unser einziger Verdächtiger. Außerdem, kannst du dir den Zinnober vorstellen, wenn wir da nicht hinfahren?«
    »Stimmt auch wieder«, räumte Werner Hofer ein. »Soll ich noch eine Streife anfordern?«
    »Noch nicht. Die werden auf der Straße dringender gebraucht, jedenfalls bis Hilfe aus den Nachbarorten da ist. Diesmal kommt mir keine Maus aus dieser Stadt raus! Jetzt gib schon Gas.«
    »Das ist eine verkehrsberuhigte Zone.«
    »Scheiß drauf.«
    Hofer legte den BMW in die Kurve, daß das Heck schlingerte und Jäckle sich am Griff festkrallen mußte. Hofer grinste und schaltete runter. Sie rasten schweigend in Richtung Siedlung.
    »Wir fahren nicht ganz ran. Ich will uns nicht extra anmelden.«
    Hofer bog von der geteerten Straße ab und folgte dem Schotterweg, dessen Schlaglöcher mit alten Dachziegeln aufgefüllt waren, die in der Vorfrühlingssonne hellrot leuchteten. Jäckle bemühte sich krampfhaft, nicht an Paula und den kleinen Simon zu denken. Er brauchte jetzt einen klaren Kopf. Er wünschte sich inständig, Simon dort zu finden. Gleichzeitig aber auch wieder nicht.
    Es war großartig. Einfach supergeil! Schon immer hatte Simon hier spielen wollen, aber wie so viele Dinge war auch das verboten, und zwar für alle Kinder, sogar für die Schulkinder. Wie würden seine Freunde im Kindergarten staunen, wenn er ihnen erzählte, daß er in der alten Fabrik gewesen war. Auf den Ofenwägen, die wie große Tierkäfige aussahen, konnte man herumklettern, es gab schmale, höhlenartige Räume, die der Mann Trocknungskammern nannte, sogar den riesigen Brennofen hatte er gesehen, und nicht nur das. Der Mann hatte das schwere eiserne Tor geöffnet und war mit ihm ein Stück in den langen schwarzen Tunnel, dessen Ende man nicht sehen konnte, hineingegangen. Simon durfte die Taschenlampe halten. Dafür gab er dem Mann seinen Revolver. Man konnte nie wissen. Es war aufregend und gruselig. Sicher würden sich die bösen Cowboys niemals hierherwagen. Vorsichtshalber griff er mit seiner freien Hand nach der des Mannes, während der ihm erklärte, daß hier früher ein sehr, sehr heißes Feuer gebrannt hatte, in dem aus Erde, Kies und Lehm die Steine gebrannt worden waren. Steine, mit denen man richtige Häuser baute.
    »Auch unser Haus?«
    »Ja. Sicher.«
    Aber das Tollste waren die Förderbänder. Wie Riesenrutschbahnen liefen sie kreuz und quer durch das Gebäude, es gab sogar eins, das in der Erde verschwand und ein kleines Stück weiter vorne wieder auftauchte. Simon lief die lehmverkrusteten Bahnen hinauf und wieder hinunter, vor lauter Begeisterung dachte er nicht mehr an die Cowboys, nicht mehr an die fremden Männer in ihren Autos und auch nicht mehr an seine Mutter oder Doris. Hier war ein echtes Abenteuer zu bestehen. Nur leider rief der freundliche Mann jetzt schon zum dritten Mal: »Junge! Simon! Komm, wir müssen gehen!«
    Simon rannte die größte Riesenrutsche so schnell hinunter, daß seine Schritte laut durch die Halle donnerten. Staubverschmiert und erhitzt stand er neben dem Mann.
    »Nur noch einmal in den großen Ofen«, bettelte er, »aber diesmal ohne Handgeben.«
    »Gut«, lächelte der Mann, »ein letztes Mal.«
    Wieder betraten sie den Ofen. Simon hielt die Lampe.
    »Aber du bleibst neben mir.«
    »Ich bin da«, hörte er die beruhigende Stimme dicht hinter sich. Plötzlich war da ein Geräusch. Kam es aus dem Tunnel oder von draußen? Simon war mit einem Satz neben seinem Begleiter.
    »Ich will raus!« Im selben Augenblick konnte er nichts mehr sehen. Ein weißer Lichtstrahl schmerzte in seinen Augen, Rufe hallten im Ofentunnel wieder, brachen sich an den Wänden, viele, viele Stimmen. Männerstimmen. Die fremden Männer!
    »Raus-kom-men, so-fort«, verstand Simon die Rufe der Männer, und er spürte die Hände seines Beschützers, die ihn bei den Schultern nahmen und auf das Licht zuschoben. Wollte der ihn etwa da hinausschicken, zu den Fremden mit den vielen Stimmen? Der Mann beugte sich hinab, sagte etwas zu ihm, aber Simon konnte ihn nicht verstehen, denn sein erschrockenes Weinen übertönte die Worte. Er krallte sich fest an das Bein, suchte Schutz hinter dem Erwachsenenkörper, seine Augen waren noch immer geblendet von dem grellweißen

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