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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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den Wohnwagen hindurch, als wäre der Teufel hinter ihm her. Vor einem Wohnwagen mit einem orangefarbenen Seitenstreifen ohne Vorzelt wirft er seinen Roller hin und flüchtet sich ins Wohnwageninnere, noch ehe wir ihn erreicht haben. Ob unser Mensch-Knut darin gefangen gehalten wird? Wir landen auf dem Wohnwagen, klopfen mit unseren Schnäbeln auf das Dach und veranstalten ein Kreischkonzert. Es passiert jedoch nichts, außer dass bei den umliegenden Wohnwagen Leute aus den Vorzelten kommen und versuchen, uns zu verscheuchen. Fietje lässt sich nicht mehr blicken.
    Die Dunkelheit legt sich langsam über den Campingplatz, der eingebettet zwischen Dünen, einem aufgestauten See und einer Ansammlung von Bäumen liegt, die die Sylter tapfer als Wald bezeichnen.
    Wir befinden uns nicht weit von der Stelle, wo die Insel am schmalsten ist und mit nur zwei Flügelschlägen überflogen werden kann.
    Balthasar geht mit auf dem Rücken verschränkten Flügeln auf dem Wohnwagendach auf und ab. »Fassen wir noch einmal zusammen«, sagt er. »Unsere erste Vermutung war, dass der Abschiedsbrief gefälscht ist. Also kein Selbstmord, sondern ein getarnter Mord.«
    »Genau, weil ich das Rezept für den Crêpes-Teig am Hintern kleben hatte. Mensch-Knut hätte das bei einem Selbstmord niemals in der Wohnung liegen lassen.«
    »Damit lagen wir ja zumindest teilweise auch richtig. Diese Gangster haben unseren Knut entführt, davon müssen wir jetzt ausgehen, und sie erpressen seine Mutter«, sagt Harry.
    »Also, ich steig da nicht mehr so ganz durch«, meldet sich Grey noch einmal zu Wort. »Wozu ein falscher Abschiedsbrief, wenn Mensch-Knut entführt wurde? Ich meine, ihr haltet mich vielleicht alle für jung und doof, aber ich habe in meinem Leben auch schon ein paar Filme gesehen, in denen …«
    »Was hast du?«, fragt Harry und hebt die Schwinge.
    »Ey hallo? Ich bin vier Jahre alt. Meine Kumpels dürfen auch alle auf ’nem Hochhausbalkon in Westerland sitzen und fernsehgucken.«
    »Das sehe ich anders. In deinem Alter hast du im Möwenkino noch nichts zu suchen. Wenn ich dich dabei erwische, dass du durch ein Wohnzimmerfenster auf einen Fernseher schaust, dann …«
    »Schon okay, hab’s kapiert. Und trotzdem weiß ich, dass man bei einer Entführung einen Erpresserbrief schreiben muss – keinen Abschiedsbrief.«
    »Hm«, macht Balthasar. »Das passt zugegebenermaßen nicht so ganz ins Konzept.«
    »Und was ist mit der Wohnung? Die sah total chaotisch aus«, sage ich. »Das passt auch nicht. Was haben die beiden da gesucht? Auf das Rezept können sie es nicht abgesehen haben, das lag ja ganz offen rum. Und ich glaube nicht, dass Mensch-Knut in seiner Bude irgendwas Wertvolles hatte.«
    »Es ist doch merkwürdig, dass er das Rezept nach zehn Jahren noch nicht auswendig kann«, murmelt Harry.
    »Warum lebt Mensch-Knut überhaupt in so einer Behausung?«, fragt unser Scheff. »Ich meine, da kommt ja nicht mal richtig Licht rein, und wenn man sich dagegen das Haus seiner Mutter anschaut …«
    »So, wie es in Knuts Abschiedsbrief stand, hatte er ein sehr gutes Verhältnis zu seiner Mutter«, wende ich ein. »Aber wahrscheinlich wollte er als Erwachsener eben auch nicht mehr das Nest mit ihr teilen und sich füttern lassen, sondern auf eigenen Beinen stehen. Da kann ich ihn ziemlich gut verstehen. Und Knuts Crêpes-Bude hat immer genug Heringe abgeworfen …«
    »Geld heißt das bei den Menschen«, revanchiert sich Balthasar neunmalklug. »Und nach dem, was ich aus der Zeitung weiß, haben die Menschen ein ziemliches Nistproblem auf der Insel, weil alle nur an die Touris vermieten wollen. Die Insulaner kriegen keine festen Nistplätze, und wenn doch, müssen sie sehr viel Geld bezahlen. Insofern ist es kein Wunder, dass unser Knut in so einem Loch lebt. Oder gelebt hat.«
    »Was ist eigentlich mit Mensch-Knuts Freundin?«, fragt Baron Silver de Luft. »Alki hat sie auf dem Autozug gesehen, am Abend, nachdem wir sein Verschwinden bemerkt haben. Wenn sie davor noch in der Wohnung war, muss sie den Abschiedsbrief gesehen haben.«
    »Was hat sie überhaupt nach dem Streit gemacht?«, überlege ich laut. »Ich meine, da liegt eine ganze Nacht dazwischen. Was ist, wenn das alles eine große Verschwörung ist? Wenn sie mit diesen Gangstern unter einer Decke steckt?«
    »Wir finden das heraus. Nachtwache«, ordnet unser Scheff an, als wir schon kaum mehr den Flügel vor Augen sehen können. »Balthasar, du übernimmst die erste Schicht.

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