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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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Harry, Grey, Ahoi, ihr steckt den Schnabel ins Gefieder und schlaft.«
    Wir drehen uns kollektiv gegen den Wind, weil der Windstärkenmesser unterm Flügel deutlich mehr als vier Beaufort anzeigt, und schauen in Richtung Rantumer Becken, das unmittelbar an den Campingplatz grenzt. Auf dem künstlich aufgestauten See ist ziemlich viel internationales Vogelpublikum versammelt, und es herrscht ständiger Durchreiseverkehr. Für mich wäre das Leben in so einer Großkolonie nix. Dieses ständige unverständliche Stimmengewirr, und zudem noch Menschen, die auf dem Dammweg stehen bleiben und von denen man unablässig beobachtet wird. Dabei murmeln sie etwas von Vogelparadies. Die haben echt keine Ahnung.
    Ich lege mich aufs Wohnwagendach, ziehe meine Füße ins Bauchgefieder und denke an Suzette, die immer so leicht friert. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass sie jetzt an meiner Seite wäre und ich ihre selbst im Hochsommer eiskalten Füße wärmen dürfte. Gibt es als Mann einen größeren Liebesbeweis als den, dass man bereit ist, diese Folter zu ertragen?
    Es dauert nicht lange, bis mir vor Erschöpfung die Augen zufallen. Ich träume, dass ich Suzette zu unserem zukünftigen Nistplatz führe. Wir kauern uns nebeneinander und bringen glucksende Laute hervor. Dazu ahmen wir das Füttern unserer künftigen Küken nach. Für alle Außenstehenden ist diese Verlobungsanzeige unmissverständlich. Gleichzeitig bedeutet sie die Markierung meines Reviers, die jedes Männchen sofort versteht und respektiert. Auch Mogulis. Ich höre seine tiefe Stimme, noch leise und fern, und lege unruhig meinen Flügel über Suzette, will sie nicht wieder loslassen, jetzt, wo sie endlich zu mir gehört. Viel zu lange habe ich auf diesen Moment gewartet, viel zu lange war ich einfach zu feige und nur heimlich in sie verliebt, und beinahe hätte ich auch gegen Mogulis klein beigegeben. Seine Stimme wird bedrohlicher, er kommt mir viel zu nahe … Ich mache mein rechtes Auge auf und sehe einen Mann vor dem Wohnwagen stehen.
    Der Pizzabäcker.
    »Fietje«, raunt dieser und klopft gegen die Wohnwagentür. »Aufmachen!«
    Jetzt schreckt auch Balthasar hoch. »Aufwachen? Jawohl, Scheff, bin wach!«
    »Was ist los?«, fragt unser Scheff und reibt sich die Augen.
    Ich lege den Kopf schräg. »Balthasar, hast du etwa geschlafen, anstatt Wache zu halten?«
    »Nein, niemals nicht. Ich habe mediniert.«
    »Du hast was?«, fragt der Scheff.
    »Ich glaube, er meint meditiert.« Ich seufze.
    Unterdessen hat Fietje die Wohnwagentür einen winzigen Spalt geöffnet. »Ich mach nicht mehr mit«, hören wir ihn mit zitternder, fast weinerlicher Stimme sagen.
    »Spinnst du?«, entgegnet der blonde Pizzabäcker flüsternd. »Was ist denn in dich gefahren? Is was schiefgelaufen?«
    »Scheiß auf die Kohle, ich bin raus. Die Möwen sind hinter mir her!«
    »Was faselst du da?«
    »Hast du die Biester nicht gesehen?« Seine Hand schiebt sich durch den Türspalt und deutet zu uns nach oben.
    »Wen? Die Möwen da auf deinem Wohnwagendach?«
    »Ja, die fliegen mir gezielt nach, verfolgen mich, greifen mich an … Das ist schlimmer als bei Hitchcock.«
    »Fietje? Is bei dir ’ne Sicherung durch? Komm, ich hab uns ’ne Flasche Friesengeist mitgebracht, dann sieht die Welt gleich ganz anders aus.« Der Pizzabäcker wirft noch einen amüsierten Blick zu uns rauf und schiebt sich dann in den Wohnwagen.
    Kann es sein, dass der uns nicht ernst nimmt? Dass er uns Möwen nichts zutraut? Na, der hat uns im Gegensatz zu Fietje noch nicht kennengelernt. Wir hören die Stimmen der beiden jetzt gedämpfter, aber immer noch gut verständlich.
    »Los, Fietje, zünd den Friesengeist an. Hier haste mein Feuerzeug.«
    »Wie Irrlicht im Moor flackert’s empor. Lösch aus. Trink aus. Genieße leise, auf echte Friesenweise …«, beginnt Fietje.
    »Nich lang schnacken, Kopp in’n Nacken«, unterbricht ihn der Pizzabäcker. »Morgen ist alles wieder gut.«
    Gläser klirren gegeneinander. Dann hören wir wieder Fietjes Stimme. »Nichts wird gut. Ich habe eine Waffe auf die Mutter meines alten Schulfreundes gerichtet und sie erpresst.«
    »Kriegst du jetzt einen Moralischen, oder was? Was ist das schon, so ein kleines bisschen Erpressung. Wir haben nur im richtigen Moment eine Beobachtung gemacht, die bares Geld wert ist. Los, darauf trinken wir noch einen. Auf die Hunderttausend!«
    »Auf die Hunderttausend«, erwidert Fietje mit einem Seufzen.
    »Und darauf, dass du nie wieder

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