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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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wehtut, dafür aber verliert sich das brennende Hungergefühl im Magen. Die Brötchen sind nur leider sehr trocken. Sie kleben regelrecht an der Zunge und am Gaumen fest und schmecken ziemlich nach … Papier. Wäh, pfui, bäh, ich habe die Papiertüte erwischt, während die anderen genüsslich ihre Brötchen vertilgen. Warum eigentlich immer ich? Eine Runde Mitleid bitte.
    Das Wohnwagendach sieht aus wie ein Schlachtfeld. Zwischen Papierfetzen und Federn, die mancher von uns lassen musste, liegen unzählige Krümel, von denen jedoch höchstens noch ein Spatz satt wird.
    Doch da, neben Balthasars Fuß, liegt noch ein halbes Brötchen. Was er nicht mal bemerkt, weil er einen Mann im Bademantel beobachtet. Der läuft im Morgengrauen mit einer Zeitung unterm Arm zu seinem Wohnwagen zurück. Und für Balthasar ist ein Frühstück nur mit Zeitung perfekt.
    »Balthasar, kann ich das Brö…?« Er hört mich nicht mal mehr, sondern geht in diesem Augenblick zum Angriff auf die Zeitung über. Ich schnappe mir das Brötchen. Himmlisch schmeckt das.
    Unser Scheff stemmt die Flügel in die Hüften und tippelt mit dem Fuß auf das Wohnwagendach. »Sind jetzt alle satt, und können wir mit der Besprechung anfangen?«
    »Wo ist eigentlich Grey?«, fragt Harry unvermittelt. »Der war doch eben, bevor ich zum Bäcker geflogen bin, noch da.«
    Stimmt, beim Kampf um die Brötchen ist mir gar nicht aufgefallen, dass Grey fehlt. Doch jetzt ist es offensichtlich. Hat er es also wahr gemacht und die kurze Abwesenheit seines Vaters genutzt, um unbemerkt zu verschwinden?
    Harry scheint meinen Gedanken gefolgt zu sein. »Ich ahne schon, wo er hin ist. Was könnte für meinen Sohn wohl wichtiger sein als Brötchen?« Er sieht uns der Reihe nach an. »Genau – der Schatz im Dorfteich. Er hat nur auf einen günstigen Moment gewartet. Oh weh, ich bin echt langsam zu alt für diese Flausen. Wenn man sich nur nicht immer solche Sorgen um das Jungvieh machen müsste.«
    Harry lässt den Kopf hängen, und ich lege meinen Flügel über ihn. Dabei renke ich mir wegen seiner imposanten Größe fast die Schulter aus. »Komm, Kumpel, eigentlich ist dein Sohn alt genug, und schwimmen kann er schließlich auch.«
    »Stimmt schon, ich muss aber trotzdem nach ihm …«
    Er wird vom Geschrei des Campers unterbrochen, auf den Balthasar zugeflogen ist. Auf dem schmalen Fußweg zwischen den Wohnwagen hat der Mann keine Möglichkeit zur Flucht, also bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich zu ergeben. Zum Zeichen geht der Mann in die menschentypische Duckhaltung, zieht den Kopf ein und erstarrt. Mit einem gezielten Schnabelgriff erbeutet Balthasar die Zeitung.
    Der Camper steht immer noch wie vom Donner gerührt da und hebt jetzt langsam wieder den Kopf. Ich will nicht wissen, was in ihm vorgeht, als er sieht, wie Balthasar zurück zu uns aufs Wohnwagendach fliegt, seine runde Brille unterm Flügel hervorholt und die Zeitung aufschlägt. Ich bin mir aber sicher, dass der Mann niemandem gegenüber ein Wort über dieses morgendliche Erlebnis verlieren wird. Wie gut für uns, dass die Menschen sich untereinander so leicht für verrückt erklären.
    Unser Scheff hingegen erklärt derweil die morgendliche Sitzung für eröffnet. »Sind alle Mitglieder der Schoko-Crêpes anwesend?«
    Ich gucke ihn an, als hätte er nicht mehr alle Halme im Nest. »Ähm, nein. Jonathan, Suzette, Helgi und Alki fehlen.«
    »Und seit gerade eben auch noch mein Sohn«, ergänzt Harry.
    »Gut, dann kommen wir zum ersten Tagesordnungspunkt.«
    Gut? frage ich mich. Baron Silver de Luft scheint den Umstand, dass sich unsere Truppe langsam, aber sicher auflöst, einfach zu ignorieren. Dennoch, irgendwo hat er ja auch recht. Die Ermittlungen müssen weitergehen. Mal abgesehen von Grey, den Harry wieder einfangen wird, hoffe ich auf die Einsicht meiner Kumpels und darauf, dass sie bald wieder zu uns stoßen – wenn ich bei Suzette und Jonathan auch nicht so recht daran glaube. Suzette …
    »Ahoi, du führst das Protokoll«, höre ich den Scheff in meine Gedanken hinein sagen.
    »Ach nö, Scheff, warum denn ich? Balthasar kann das doch viel besser.«
    »Schreib! Damit dir keine dummen Gedanken kommen. Ich habe deinen verklärten Blick in Richtung Kampen gesehen.«
    Na super. Mit einem unterdrückten Schmerzenslaut rupfe ich mir eine Feder aus, lege sie vor mich auf das Wohnwagendach, halte sie mit einem Fuß fest und beuge mich tief darüber, bis mein Schnabel in Schreibposition ist.

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