Mordsmöwen
Krabben pulen musst. In Zukunft wirst du den Kaviar mit Löffeln fressen!«
»Und wenn ich das gar nicht will?«
»Komm schon, natürlich willst du, sonst hätte ich dich nicht so leicht überzeugen können mitzumachen. Wir liegen bald unter Palmen und können uns die heißen Mädels im Bikini jeden Tag anschauen. Hier gibt es die Babes ja selbst im August nur noch im Friesennerz.«
»Mann, ich bin an dem Abend nur deshalb in Hörnum auf dein Boot gestiegen, weil wir gute Geschäftskumpels sind. Hätte ich gewusst, dass wir die Viktoria sehen und Zeugen werden, wie sie Knuts Leiche im Meer versenkt …«
»Das war unser Glücksmoment! Du hast mir jahrelang die besten frischen Krabben für meine Pizza geliefert, nun serviere ich dir den Kaviar. Und mal ehrlich, es war doch ganz leicht, bei Frau Johannsen zu klingeln und sie mit der Frage zu erpressen, ob sie ihren Sohn wiedersehen will. Du wirst sehen, sie zahlt.«
»Wenn das so leicht wäre, warum hast du mich dann vorgeschickt, verdammt?«
»Ach Fietchen, ich dachte, das hättest du begriffen. Das Säckchen mit dem Schmuck habe ich ja freundlichst persönlich bei Frau Johannsen erbeten. Sie hat es mir auch sehr bereitwillig gegeben. Aber ich konnte nicht wissen, ob sie nicht die Polizei ruft, sobald sie mich ein zweites Mal in der Nähe ihres Hauses sieht. Drum habe ich dich geschickt. Ich wusste, dir als altem Schulfreund von Knut vertraut sie. Lass uns anstoßen. Auf den sonnigen Süden!«
»Auf den sonnigen Süden«, sagt Fietje nach langem Zögern leise.
»Heiliger Albatros!«, entfährt es unserem Scheff. »Die arme Mutter weiß nicht, dass ihr Sohn tot ist, und wird trotzdem erpresst – das muss sie von uns erfahren! Sobald die Sonne über dem Horizont aufgeht, fliegen wir zu ihr.«
»Sind wir jetzt echt mitten in einem Krimi? Boah, wie cool, mit einem echten Toten!« Grey springt wie eine Hüpfdohle auf und ab.
»Sohnemann, halt den Schnabel. Es geht um unseren Knut! Und wer ist diese Viktoria?«
»Das ist doch klar«, ruft Grey theatralisch, »supersonnenmeeresklar sogar. Knuts Freundin natürlich.«
»Du hast keine Ahnung, mein Sohn, also halt lieber den Schnabel. Knuts Freundin heißt Eva – Eva Schatz. Wir haben doch oft genug gehört, dass Knut sie so genannt hat, wenn er im Crêpes-Stand mit ihr telefoniert hat.«
»Na super, Daddy, wenn du so schlau bist, dann sag du uns doch einfach, wer Viktoria ist. Oder bist du jetzt plötzlich nicht mehr so allwissend?«
Unser Scheff hebt den Flügel, bevor es zu einer weiteren Auseinandersetzung zwischen Harry und seinem Sohn kommen kann. »Wir finden heraus, wer diese Viktoria ist und in welchem Verhältnis sie zu Knut stand. Und gleich morgen früh suchen wir noch einmal Knuts Mutter auf. Jetzt ist weiter Nachtwache angesagt. Ich übernehme. Dann muss ich keine Angst haben, dass ein Wachhabender aus dieser Spatzentruppe einfach einschläft!«
FÜNF
Am nächsten Morgen werde ich von einem Rascheln direkt neben meinem Ohr geweckt. Es ist noch früh. Die Sonne hat sich gerade über den Horizont geschoben, und auf dem Campingplatz ist wenig los. Aus dem Wohnwagen dringen die tiefen Schnarchgeräusche, unter denen ich eingeschlafen war. Neben mir steht Harry mit einer Papiertüte im Schnabel, und ich rieche … Brötchen!
»Frisch beim Campingplatz-Bäcker geklaut«, brüstet er sich stolz. »Ich glaub, ich geh wieder in meinen alten Job zurück.«
»Mach auf!«, schreien wir durcheinander. Okay, fast alle. Baron Silver de Luft sitzt noch immer mit dem Hintern zu uns in Schlafstellung, seine Thunfischdose über die Augen gezogen, und reagiert erst jetzt.
»Aufwachen!«, kreischt er. »Alle Möwen an die Gewehre. Feind naht!«
»Scheff, ähm, umdrehen bitte, wir sind schon wach«, sage ich mutig. »Ist auch kein Feind in der Nähe. Harry hat Brötchen besorgt.«
Unser Scheff dreht sich zu uns um. »Das war nur ein Test«, sagt er grummelnd. Er guckt verschlafener, als eine Möwe normalerweise gucken kann. In seinem Alter sollte er vielleicht nicht mehr versuchen, die Nacht durchzumachen.
Harry öffnet die prall gefüllte Brötchentüte, und ein Duft, der mich fast den Verstand verlieren lässt, steigt mir in die Nase.
»Alle Möwen in Reih und Glied zum Frühstück antreten, ich verteile die Ratio…« Weiter kommt der Scheff nicht. Wir machen uns über die Brötchen her, als gäbe es kein Morgen. Es fliegen die Fetzen, und ich schlinge die trockenen Happen hinunter, dass mir die Kehle
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