Mordsmöwen
nach?«
»Uns fehlt das Motiv – ein Streit unter Brüdern wäre denkbar, wahrscheinlich ums Geld«, sagt Baron Silver de Luft.
Ich schüttle entmutigt den Kopf. »Das ist zum Federnrupfen. Ganz offenkundig ist Sönke nicht so unschuldig, wie er sich gibt – dieser Meinung ist auch die Polizei.«
»Ohne Knuts Leiche werden wir das Rätsel niemals lösen. Erst wenn wir wissen, wo und wie er zu Tode kam, können wir neue Rückschlüsse ziehen.«
»Ohne die fünfzig Makrelen können wir das Rätsel nicht lösen«, sage ich und seufze.
Der Scheff guckt mich an, als hätte ich einen Sonnenstich bekommen. Ich muss ihm erst mal erklären, was Willi mir für diesen Handel versprochen hat.
»Worauf warten wir dann noch?«, fragt Baron Silver de Luft. »Wir werden doch wohl so ein paar lächerliche Makrelen fangen können, die schwimmen einem ja zurzeit quasi vor den Schnabel.«
»Hat denn irgendjemand von uns je schon mal auch nur eine einzige gefangen?«, frage ich. Ich verwette meine Federn darauf, dass der Baron wegen seiner Kurzsichtigkeit noch nicht mal eine Robbe unter der Wasseroberfläche erkennen würde.
»Ähm, nein, ich nicht.« Na, wenigstens gibt er’s zu – seine Ehrlichkeit bringt uns aber auch nicht weiter.
Auch Alki schüttelt traurig den Kopf.
Fünfzig Makrelen, innerhalb kürzester Zeit, das schaffe ich nie. Wir stehen vor der Herausforderung unseres Lebens und schaffen es nur im Team. In einem richtigen Team.
»Wo sind eigentlich Harry, Grey und Balthasar abgeblieben?«, fragt Baron Silver de Luft in meine Gedanken hinein.
»Die, ähm …« Das hat er in seinem Suff ja gar nicht mitbekommen oder schon wieder vergessen. Soll ich ihn damit konfrontieren?
Er tut es selbst. »Die drei haben ihren Austritt aus der Truppe erklärt, richtig?«
Als ich nicke, lässt mein Ex-Scheff die Flügel hängen.
Kann es wirklich sein, dass wir jetzt an diesen dämlichen Makrelen scheitern? Nein, jetzt weiß ich, warum ich noch nicht in den Möwenhimmel durfte. Ich habe hier offenkundig noch eine Aufgabe zu erledigen. Also fasse ich einen Entschluss.
»Ich werde versuchen, unsere Truppe wieder zusammenzutrommeln. Wenigstens für diese eine Mission. Zuerst fliege ich zu Balthasar. Wir brauchen ein Buch, in dem erklärt wird, wie Möwen ihre natürliche Nahrung fangen.«
Und dann steht noch eine zweite wichtige Mission an, denke ich mit Blick in Flugrichtung Kampen. Wenn mich der heilige Albatros noch nicht im Möwenhimmel haben will, okay, aber dann will ich meine geliebte Suzette zurückerobern und die Zeit nutzen, die mir noch zwischen Himmel und Erde verbleibt. Und ja, ich will mich dann auch endlich mal wieder wie eine männliche Möwe fühlen. Sie wissen schon.
Wie bitte? Sie wollen mir sanft beibringen, dass meine Missionen bislang von wenig Erfolg gekrönt waren, um es mal so auszudrücken? Also gut, Sie haben ja recht … Ich werde mir besser noch einen Plan B ausdenken.
* * *
»Sag mal, Balthasar, weißt du, ob es im Möwenhimmel eigentlich auch Sex gibt?«
Er fällt bei meiner Frage fast vom Wohnwagendach. Ich bin von hinten an ihn herangetreten und gucke ihn ernst an. Es war nicht schwer, ihn zu finden. Es steht zwar niemand um ihn herum, genau genommen nimmt kein einziger Mensch Notiz von ihm, aber neben ihm auf dem Dach liegt ein ganzer Stapel Bücher. Er sitzt vor einem aufgeschlagenen Buch und legt jetzt den Fuß auf die Zeile, bei der ich ihn unterbrochen habe.
»Hallo erst mal und zweitens, was hast du denn für komische Fragen?«
»Na ja, du weißt doch immer alles. Und das ist keine komische Frage, sondern ein Plan B.«
Balthasar zieht die Federn kraus. »Das musst du mir erklären.«
»Na ja, irgendwie landen wir doch alle mal im Möwenhimmel, hoffentlich, meine ich. Also, hoffentlich natürlich nur dann, wenn es da irgendwie auch Sex gibt, weil, man lebt ja doch irgendwie weiter. Wenn man dann aber auf seiner Wolke sitzt und auf das geliebte Weibchen wartet, also, für den Fall, dass man selbst früher da ist – was ist, wenn man umsonst wartet? Also, ich meine, wenn das Weibchen zwar irgendwann kommt, also in den Möwenhimmel, es dort dann aber keinen Sex gibt – das wäre doch echter Schiet, oder? Weil, dann wäre es auch kein Plan B.« Ich gucke ihn schräg an.
Er mich noch schräger. »Sag mal, Ahoi, was hast du denn genommen?«
»Nichts. Ich mache mir nur so meine Gedanken.«
»Also, ich mache mir um ganz andere Dinge Sorgen, aber ich kann das gerne mal in
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