Mordsmöwen
Scheff, auch wenn die hier im Buch den ersten und den letzten Buchstaben im Wort vergessen haben. Ahoi und Alki, bei euch wird es schwieriger, aber das kriegen wir auch noch hin.«
So ist es. Am Ende heißt Alki zwar Adalbert, und meinen Namen finden wir in einem dicken gelben Buch mit ganz vielen anderen Wörtern, das Balthasar besonders spannend findet, aber wir haben es geschafft und sind mächtig stolz auf den Blätterwald, der da verstreut um uns herumliegt.
»Und wie legen wir die Buchseiten jetzt vor der Polizeistation ab?«, fragt Harry. »Draußen ist ziemlich viel Wind …«
»Wir könnten sie in Suzettes Handtasche legen«, schlage ich vor und beiße mir im selben Moment auf die Zunge. Denn das würde ja bedeuten, dass Suzette das Geschenk von Mogulis vor dem Eingang der Wache liegen lassen müsste.
»Ja, natürlich könnt ihr meine Plastiktüte nehmen«, entgegnet Suzette, noch ehe ich meinen Vorschlag korrigieren kann. Verwundert schaue ich zu, wie sie die Tasche aufhält und meine Kumpels unsere Ermittlungsergebnisse samt dem Corpus Delicati hineinpacken.
Als sie damit fertig sind und mein Scheff die Trageschlaufen in den Schnabel nimmt, wird es ruhig zwischen uns; sogar Grey hat die Bedeutung des Augenblicks erkannt und hält ausnahmsweise mal den Mund.
Eine nahezu feierliche Stimmung senkt sich über uns. Wir, die Schoko-Crêpes, haben das Rätsel um das Verschwinden unseres Menschen Knut gelöst. Jetzt muss nur noch die Polizei mit unseren Informationsschnipseln etwas anzufangen wissen und die richtigen Schlüsse ziehen. Aber noch etwas beschäftigt mich, und es hat mit Suzettes letztem Satz zu tun.
»Sag mal, hast du vorhin Plastiktüte gesagt?«
Suzette lächelt und wendet sich von mir ab, um den anderen aus der Bibliothek hinaus zu folgen. »Ja, habe ich.«
ZEHN
Wir sitzen am Fuß des Leuchtturms auf dem Dach des geschlossenen Crêpes-Standes am Südzipfel von Sylt und schauen übers Meer der aufgehenden Sonne zu. Ja, wir. Die gesamte Bande. Obwohl es uns gar nicht mehr gibt.
Wir sehen wohl alle ziemlich planlos aus, wie wir da hungrig sitzen oder wie Balthasar mal wieder auf dem Dach unsere Runden drehen. Dank seines Plans, sich mit dem Smartphone unterm Flügel auf die Boje zu setzen, konnte die Polizei gestern das Handy orten. Wir haben die ganze Aktion mit reichlich Geschrei unterstützt. Und nun wollen wir alle wissen, wie die Geschichte ausgeht.
Mich hält allerdings noch eine andere Tatsache auf diesem Dach fest: Suzette hat die letzten zwei Nächte bei uns verbracht, nur eine Flügellänge von mir entfernt, und ist nicht zu Mogulis zurückgekehrt. Eine Flügellänge ist allerdings eine Flügellänge. Und ein Grund für mich, die ganze Nacht kein Auge zuzukriegen.
Da sitzt sie nun, und ich habe Angst, dass ich es wieder vermassle. Ja, ich weiß, Sie sagen mir jetzt, dass ich meinen Hintern hochkriegen und einmal richtig mit ihr reden soll. Aber das sagen Sie mit Ihrem Buch in der Hand so einfach. Das ist nicht so leicht!
Nein, ich habe keine Angst davor, mir einen Korb zu holen, das wäre ja quasi schon ein Nest. Ich glaube viel eher, dass sie zwar erkannt hat, was für ein Blender dieser Mogulis ist, den Schnabel von der Männerwelt nun aber erst einmal gestrichen voll haben und für mich nur freundschaftliche Gefühle empfinden wird.
Wir warten alle nur noch darauf, dass in der Zeitung ein abschließender Bericht erscheint, dann werden wir uns in alle Winde verstreuen, und jeder wird sein Glück woanders versuchen. Entsprechend gedrückt ist auch die Stimmung, weil allen die Unausweichlichkeit der Lage bewusst ist.
»Steht heute was in der Zeitung?«, rufe ich Balthasar zu, der mit der Beute im Schnabel angeflogen kommt. Im Hintergrund sehe ich einen Mann, der von einer der Bänke auf der Promenade aufspringt und drohend den Arm hebt. Balthasar setzt sich neben mich, zieht seine runde Brille unterm Flügel hervor und faltet die »Sylt aktuell« auf.
Gleich auf der ersten Seite springt uns ein Foto vom Crêpes-Stand mit uns Möwen auf dem Dach entgegen. Wir sind wie elektrisiert.
»Cool, wir sind alle in der Zeitung!«, ruft Grey. »Aber guck mal, Papa, was du für ein komisches Gesicht machst.« Normalerweise hätte Grey dafür eins mit dem Flügel geerntet, doch Harry belässt es dabei, seinen halbwüchsigen Sohn mit einem Lachen in die Seite zu stupsen, dass dieser trotzdem fast das Gleichgewicht verliert.
»Ich hab euch doch gesagt, ihr müsst bei einem Foto immer
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