Mordsonate
geschämt.«
»Und Sie wollten, dass Herr Weger in Verdacht geraten sollte. Deshalb haben Sie sein Auto genommen und wieder zurückgestellt.«
»Weil der doch wie die Mama war … genauso wie die Mama! Dieser Ehrgeiz, der hat es verdient. Die Mama hat mich ausgesperrt. Sie hat mir den Bello weggenommen, meinen einzigen Freund. Hat ihn in einen Müllsack gesteckt, damit er mich nicht vom Üben abhält.« Lux brach in einen Weinkrampf aus, dann sagte er: »Ich habe ihr jetzt das Gesamtkunstwerk geschenkt, der Mama. Weil ich doch … ich weiß doch, wie sehr ich sie damals enttäuscht habe. Aber dieses Geschenk jetzt ist viel, viel größer. Es kommt von einem Genie!«
»Und warum haben Sie es nicht dabei belassen, dass Herr Weger als Täter –«
Lux schrie empört auf: »Weil ich es doch … das ist mein Werk! Und doch nicht von diesem Weger!«
»Nur deswegen haben Sie dem Kind die Finger abgehackt? Nur um uns den Hinweis zu geben?«
»Weil doch sonst niemand … und für die Kunst muss man halt auch leiden, hat die Mama oft gesagt. Glauben Sie, das ist einfach … Finger abhacken? Das ist ein Opfer. Ein Genie muss für so ein Kunstwerk Opfer bringen, das ist so.«
»Das hatten Sie zuerst nicht vor?«
»Ein Werk entsteht, es wächst.« Auf einmal lachte er. »Hätte ich sie wieder freigelassen … sogar das Rasierwasser vom Weger hätte die wiedererkannt.« Er lachte. »Und die Schlangen erst!«
»Schlangen?«
»Genial! Vom Band. Endlosschleife. Auf der Kellerstiege. Damit habe ich sie für ihr perfektes Gehör bestraft. Sie war doch Stelzmanns Werkzeug gegen mich. Alles so genial! Deshalb konnte ich diese Schöpfung doch nicht einfach verschenken! Einem Ehrgeizling schenken! Das hätte der Mama noch einmal das Herz gebrochen, so ein Applaus, weltweit – für einen anderen!«
»Und warum haben Sie das Kind in den Heuballen gesteckt? Da mussten Sie ja wieder mit der Hacke …«
»Weil es doch auch nichts als Futter war. Futter für diesen Konzertbetrieb. Futter, nichts sonst! Man hätte sie doch sowieso nur an das Publikum verfüttert.«
Erich atmete laut aus. Er erhob sich und ging einige Schritte im Verhörraum auf und ab. »Sie sind mit dem Vorsatz zu Frau Stelzmann gekommen, sie zu bestrafen.«
Lux nickte. »Weil sie es selbst wollte! Sonst hätte sie aufdie Warnungen gehört. Die Mozarttränen. Und das Foto. Aber sie wollte von mir erlöst werden! Durch mich, natürlich.«
»Sie konnten nicht wissen, dass Sie eine Mozartbüste vorfinden würden. Wie hätten Sie es denn sonst gemacht?«
»Erstickt. Mit einem Plastiksack hätte ich sie an ihrem Unrecht erstickt«, antwortete er tonlos mit gesenktem Blick. Als er ihn wieder hob, wirkte er entrückt. »Was für ein Einfall, für meine Komposition. Was für eine Krönung für dieses Kunstwerk: der Kuss der Büste … ihr Lieblingskomponist … weil sie sein Weinen nicht beachtet hat, küsst er sie. Küsst sie so heftig, küsst sie ins Jenseits, zu sich hinüber … als himmlischer Schlussakkord in meiner genialen Schöpfung!«
Nach diesen Worten kauerte Bernhard Lux in sich zusammengesunken auf dem Stuhl. Erich bedeutete Mühlbauer, dass er hinaus müsse.
Im Waschraum der Toilette sah er, dass sein Gesicht bleich und von einem glänzenden Schweißfilm überzogen war. Er wusch es so lange mit kaltem Wasser, bis im Spiegel sein gerötetes Antlitz auftauchte, als er sich wieder aufrichtete.
Was für ein Irrsinn, was für ein kompletter Irrsinn! Sich einen grausamen Doppelmord und die Mitschuld an einem Suizid als geniales Gesamtkunstwerk zurechtzufantasieren! Erich konnte sich nicht entsinnen, jemals von einem ähnlich gelagerten Fall gehört zu haben.
Als er sich zur Tür wandte, kam Harlander hereingelaufen. »Chef«, sagte er, während er sich schon ans Pissoir stellte. »Ich habe das Rätsel gelöst. Das sind offenbar ein paar Verrückte in Bayern. Monarchisten mit irgendwelchen Verschwörungstheorien rund um den Tod von König Ludwig.« Nachdem er sich erleichtert hatte, sagte er miteinem Auflachen: »Ein Geheimbund – mit eigener Homepage! Die tragen schwarze Scharfrichterkutten. Marschieren mit brennenden Fackeln herum.«
»Und was haben die mit Google zu tun?«
»Ach ja, der Kollege vom Journaldienst – übrigens einer, der kürzlich von der Post zu uns gekommen ist! –, der hat natürlich nicht nachgefragt, wie man das schreibt. Weil eh sonnenklar ist, wenn ich Gugl höre, wie ich Google schreibe. Aber die Guglmänner schreibt man so,
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