Mordspech (German Edition)
sagen ja nicht, dass sie schuld sind …«
»Ich? Hah, das wäre ja noch schöner. Und jetzt raus hier, Sie sehen doch, hier ist die Hölle los!« Er will uns zum Ausgang drängeln, doch wir halten dagegen.
»Es geht um eine alte unterirdische Produktionsstätte der Nazis. Die sollen da chemische Waffen hergestellt haben. Möglicherweise ein Mittel, das sich Chlortrifluorid nennt. Das Zeug könnte dort immer noch tonnenweise lagern und wird nun vom Hochwasser bedroht.«
»Was?« Der Beamte fängt an zu schwitzen. »Wo soll das sein?«
»Im Oderbruch.«
»Und was hat das mit Ihrem Mordfall zu tun?«
»Das versuchen wir herauszufinden.« Ich schüttele den Mann endlich ab. »Deshalb sind wir hier.«
»Chemische Waffen im Oderbruch? Davon habe ich noch nie gehört.«
»Ja, aber vielleicht einer Ihrer Vorgesetzten.« Allmählich werde ich ungeduldig. »Hören Sie, in Berlin wurde ein Journalist umgebracht, weil er vermutlich an genau dieser Sache dran war. Es geht um einen Umweltskandal.«
»Na, für die Umwelt haben wir ein entsprechendes Ministerium.« Der Beamte hat endlich einen Weg gefunden, um uns loszuwerden, und schreibt eifrig eine Adresse auf. »Ich fürchte zwar, dass Umweltminister Matthias Platzeck nicht persönlich Zeit für Sie finden wird, weil er wesentlich mit den Rettungs- und Sicherungsmaßnahmen der gefährdeten Deiche beschäftigt ist. Aber ich bin sicher, man wird Ihnen weiterhelfen. Es ist nicht weit von hier!« Und schon hat er uns einen Zettel in die Hand gedrückt und aus seinem Ministerium geschubst.
»Nette Leute hier«, knurrt Hünerbein. »Wahrscheinlich alles alte Ostbonzen. Nicht umsonst nennt man das rote Brandenburg des IM Sekretär die kleine DDR .«
»Na, dann sind sie doch auf gutem Weg«, erwidere ich und versuche mich an Ulbricht’scher Dialektik. »Überholen, ohne einzuholen.« Den Spruch haben mir Beylich und Matuschka beigebracht.
Wir steigen wieder in den Wagen und machen uns auf den Weg ins Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, kurz MLUV , und stoppen wenig später vor einem unscheinbaren Kasten mit der Ästhetik eines DDR -Grenzübergangs an der Peripherie Potsdams.
Wir können es kaum glauben. Doch ein Schild der Landesregierung weist eindeutig darauf hin, dass wir hier richtig sind. Dieser dreistöckige Plattenbau ist tatsächlich der Amtssitz des in den letzten Wochen durch seinen rastlosen Einsatz beim Oderhochwasser als »Deichgraf« berühmt gewordenen brandenburgischen Umweltministers.
Auch hier klingeln Telefone ohne Unterlass, werden Pegelstände durchgegeben und Einsatzpläne geschrieben. Krisenmanagement in Zeiten der großen Flut.
Eine übermüdete Mitarbeiterin schaut uns fragend an und will ungläubig wissen, ob wir tatsächlich aus Berlin sind. Als hätten wir Peking gesagt.
»Nur aus Berlin«, wiederhole ich und lege meinen Dienstausweis vor. »Ihr Innenministerium hat uns hergeschickt.«
»In welcher Angelegenheit?«
Wieder erzähle ich von der alten unterirdischen Munitionsfabrik und chemischen Waffen, die überflutete Böden zu verseuchen drohen. »Ein Journalist aus Berlin wollte darüber berichten. Er wurde umgebracht.«
»Was? Hier bei uns?«
»Nein, in Berlin.«
Die Mitarbeiterin scheint erleichtert. »Und was wollen Sie dann hier?«
»Herausfinden, was an der Sache dran ist.«
»Dann verbinde ich Sie am besten mal mit unserer Pressestelle.« Sie fängt an, eine Nummer einzugeben.
Hünerbein und ich sehen uns an.
»Hören Sie«, wende ich mich erneut an die Frau, »aber vielleicht ist Ihre Pressestelle nicht unbedingt der richtige Ansprechpartner für uns.«
»Wieso denn nicht? Sie sagten doch, es gehe um einen Journalisten?«
»Das ist richtig«, gebe ich zu. »Aber diese Dinge waren und sind vielleicht nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Ich will damit sagen, dass uns Ihre Pressestelle vermutlich nicht weiterhelfen kann, weil sie selber nichts darüber weiß.«
»Wer ist denn bei Ihnen«, mischt sich nun auch Hünerbein ein und lehnt sich mit seiner Körpermasse so an den Empfangstresen, dass der bedrohlich knackt, »für die heiklen Sachen verantwortlich? Altlasten und so?«
»Ach, Altlasten«, die Frau winkt verstehend ab, »na, da haben wir hier einige. Ich verbinde Sie mal mit dem Klaffke.« Sie wählt eine andere Nummer. »Hoffentlich ist er nicht gerade in einer Krisensitzung.« Sie wartet einen Moment, spricht kurz mit jemandem und sieht uns dann
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