Mordspech (German Edition)
so.«
»Sind wir in Gefahr?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich blicke momentan überhaupt nicht durch. Das ist mir alles ein bisschen zu nah an uns, verstehst du? Fahrt einfach mal weg, bis sich der Pulverdampf verzogen hat. Und nimm die Kinder mit.«
»Ist die Ostsee weit genug?«
»Ich denke, das reicht.« Wir nutzen da seit einiger Zeit ein kleines Sommerhaus am Barther Bodden. Sehr idyllisch und einsam gelegen. Abseits vom Ferientrubel an der Küste.
»Och nö«, mault Melanie, »das ist so langweilig da.«
»Nimm dir was zu lesen mit«, rate ich ihr, »geht reiten. Macht euch ein paar schöne Tage. Ich komme am Wochenende dazu. Bis dahin weiß ich mehr.« Hoffe ich jedenfalls. Auch wenn die Sache im Augenblick komplett verworren scheint.
»Dieter, kleiner Tipp noch am Rande.«
Genervt fahre ich herum. Herrgott, was will Siggi denn schon wieder.
»Weißt du schon, wer’s war?«
»Nun, ich sage es nur ungern«, antwortet er mit zerfurchter Stirn, »aber da waren vermutlich alte Kameraden am Werk.«
»Alte Kameraden?«
»Genossen von mir«, wird er deutlicher, »MfS. Alles deutet darauf hin: Die Bombe unter dem Auto und der relativ einfache Zündmechanismus am Türschloss. Da muss man das Auto nicht umständlich knacken, verstehst du? Das ist am einfachsten und sehr effektiv. Nur dass sie vergessen haben, dass unsere Autos heute mit ordentlich Abstand per Funk zu öffnen sind. Sehr hilfreich, wenn man überleben will.« Er lacht keckernd. »Ossis halt! Noch immer auf Kriegsfuß mit der guten Westtechnik.«
»Du willst mir erzählen, dass dir die Stasi die Bombe unters Auto gepackt hat? – Wieso? Was haben die alten Genossen plötzlich gegen dich?«
»Ich hoffe nichts.« Siggi lächelt breit. »Da bin ich mir sicher. Aber vielleicht haben sie ja was gegen dich.« Er fasst Damaschke am Ärmel, der mit seinem Analyseköfferchen vorbei will. »Einen Moment mal: Ich nehme an, der Sprengsatz bestand aus Semtex, richtig?«
»Auf jeden Fall ein Plastiksprengstoff«, nickt Damaschke, »wir werden das noch genauer untersuchen.«
»Verlassen Sie sich drauf, es war Semtex.« Siggi lässt den Spurensicherer wieder los und reibt sich die Hände. »Guter tschechischer Sprengstoff. Damit haben sie damals auch die Lockerbie-Maschine vom Himmel geholt.«
»Ich dachte, das waren Gaddafis Leute.«
»Richtig, richtig«, nickt Siggi eifrig, »Gaddafis Leute. Aber den Sprengstoff hatten sie aus der Tschechei. Semtex. – Pass auf, Dieter!« Er nimmt mich an beiden Schultern und sieht mir fest in die Augen. »Ich weiß, wir sind uns nicht immer grün gewesen. Aber wir lieben dieselbe Frau. Und wir haben eine gemeinsame Tochter. Das sollte uns enger verbinden, findest du nicht?«
Worauf will der Verrückte hinaus?, denke ich und versuche, mich aus seinem Klammergriff zu befreien. Vergebens. Siggi packt mich nur noch fester.
»Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert, Dieter«, sagt er nicht ohne Pathos. »Und deshalb will ich dir helfen.«
»Wie?«
»Nun …« Siggi sieht nachdenklich in die Ferne und kneift etwas die Augen zusammen. Wie ein Trapper, dessen Blick über die Weiten der Prärie schweift. »Ich höre mich um. Mein Ministerium gibt’s zwar schon lange nicht mehr, aber ich habe noch gute Kontakte. Und viele der alten Genossen arbeiten jetzt für andere Dienste. Ich kriege heraus, wer das war, in Ordnung?«
»In Ordnung, Siggi«, sage ich gedehnt. Dass man bei dem Irren nie weiß, woran man ist. »Lässt du mich jetzt los?«
»Wir sind so was wie Brüder, weißt du?« Er umarmt mich ergriffen. »Brüder! Die halten zusammen. Egal, was kommt.« Er haut mir kräftig auf die Schultern, nickt mir noch einmal zu und geht. Kopfschüttelnd sehe ich ihm nach.
»Seit wann hast du’n Bruder?« Kauend steht Hünerbein neben mir.
»Seit heute, nehme ich an.«
»Besser spät als nie.« Er hält mir einen in fettiges Papier eingewickelten Shawarma hin. »Hier! Aus dem Habibi. Total lecker.«
Abwesend beiße ich in den Shawarma. Was geht hier vor?, hämmert es in meinem Hirn. Was verdammt geht hier vor?
20 DIPL .- PSYCH . SUSANNE BAIER hat nicht schlecht aus der Wäsche geguckt, als Meyer plötzlich vor ihrer Tür stand. Vor ihrer privaten Wohnungstür, versteht sich.
Nachdem sich die beiden Ms, wie er Monika und Melanie gerne nannte, in die Ostseesonne verabschiedet hatten, war er zum Viktoria-Luise-Platz gefahren und hatte sich ins »Buenos Aires« gesetzt. Da gab es einen
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