Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
kritisch Gesinnten ließen sich dagegen ihre Zweifel nicht ausreden. Sie hörten mit sarkastischem Lächeln die Lobpreisungen auf die bekannte Unbekannte und antworteten darauf, dass ein Krug nur so lange zum Brunnengeht, bis er bricht, und der Tag werde schon kommen, wo die Polizei die bewunderte Prinzessin abholen werde.
Unter den gläubigen Gemütern befand sich der Besitzer einer bekannten großen Möbelhandlung in Berlin, Herr Schröder. Die Wilke hatte in seinem Lager viele Käufe für ihre Einrichtung gemacht. Sie hatte alles bar bezahlt; er hielt sie für reich und hatte sich eines Tages die Frage erlaubt, ob sie, die über so große Kapitalien gebiete, ihm wohl zur Vergrößerung seines Geschäfts einige Tausend Taler verschaffen könne.
Die Wilke erwiderte, wenn sie volljährig würde (sie war erst dreiundzwanzig Jahre alt), wäre sie gern bereit, ihm das Geld zu geben. Inzwischen wolle sie sehen, ob sie ihm vielleicht bei einer guten Freundin Geld beschaffen könne. Schon am folgenden Tag kam die Wilke zu Schröder und eröffnete ihm, dass ihre mütterliche Freundin, die Demoiselle Niemann in Charlottenburg, gern bereit sei, ihm fünftausend Taler und nur zu vier Prozent und ohne weitere Sicherheit zu leihen. Das Geld läge in Pfandbriefen gegen aufgenommene fünfhundert Taler vor. Um die Pfandbriefe zu erhalten, benötige sie genau diese Summe, und wenn Schröder die fünfhundert Taler vorstrecken wolle, könne das ganze Geschäft bald abgemacht werden.
Schröder erkundigte sich nach dem Ruf der alten Niemann, und nachdem er nur Vorteilhaftes und völlig Beruhigendes über sie erfahren hatte, ging er selbst nach Charlottenburg und händigte die fünfhundert Taler der alten Dame in Gegenwart der Wilke aus. Die fünftausend Taler sollte er nun in einigen Tagen erhalten.
Aber schon kurz darauf kam die Wilke wieder zu ihm: Die Abholung der Pfandbriefe lasse sich erst gegen Zahlung von tausend Talern bewirken; die Niemann müsse daher noch fünfhundert Taler haben. Dafür versprach sie ihm statt der fünftausend Taler ein Darlehen von achttausend Talern. Schröder ließ sich, nach einigen Verhandlungen, zur Zahlung von weiteren fünfhundert Talern bewegen, aber nur nachdem er die Zuverlässigkeitder Niemann noch einmal gründlich überprüft hatte. Diese verpflichtete sich schriftlich, ihm am 28. Juni 1836 ein Kapital von achttausend Talern zu leihen und die tausend Taler zurückzuzahlen.
Statt des Geldes kam erneut die Wilke zu ihm und verkündete, dass Frau Niemann sich bereit erklärt hätte, noch eins draufzusetzen. Sie hätte sich mit ihrer Familie besprochen, und statt achttausend Taler wolle sie ihm zwanzigtausend Taler leihen. Um den höheren Betrag der Pfandbriefe einzulösen, benötige sie noch einmal fünfhundert Taler. Schröder wollte zwar nicht, ein weiterer Besuch bei den beiden Damen stimmte ihn aber um. Er zahlte zum dritten Mal fünfhundert Taler, für die ihm am 10. Februar zwanzigtausend Taler ausgehändigt werden sollten.
Der 10. Februar verstrich, aber das Geld kam nicht. Stattdessen erhielt er die Antwort, dass er am nächsten Montag wenigstens achttausend Taler erhalten solle. Am Montag erschien die Wilke, ohne Geld, jedoch mit der Nachricht, da die Bank die versprochene Auszahlung nicht durchgeführt habe, werde sie es von einer anderen Bekannten besorgen. Schröder glaubte ihr und zahlte zu den eintausendfünfhundert Talern, die er nicht verloren glaubte, der Wilke noch hundert Taler, die sie zur Einlösung zu brauchen vorgab. Auch über diese letzte Einzahlung erhielt er von Frau Niemann einen Schein, und der 13. Februar wurde als Zahlungstag bestimmt.
Am selben Tag erfuhr Schröder, dass auch ein Futterhändler in Charlottenburg von der Wilke Kassenscheine zur Einlösung der Pfandbriefe erhalten hatte. Einen dieser Scheine im Wert von dreihundert Talern hatte die Wilke aber zum Kauf von zwei Pferden ausgegeben.
Er stürzte nach Charlottenburg und traf die Wilke und ihre Gesellschafterin Alfrede bei Frau Niemann an. Auf seine heftigen Vorwürfe antwortete die Gesellschafterin mit gleicher Heftigkeit, er urteile vorschnell. Es könne ihm doch völlig egal sein, ob die Wilke ihre Privatschulden (also die Pferde) mitseinem Kassenschein oder ihrem eigenen Geld bezahlt habe. Henriette Wilke selbst schien zuerst verlegen, später empört.
Die heftige Szene endete mit einer Aussöhnung, welche die Gesellschafterin bewirkte. Schröder ließ sich dabei überreden, noch bis zum 27.
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