Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
verschont bleibt!«
Die rechtlichen Probleme haben sich dabei in den vergangenen Jahrhunderten kaum geändert – ein Untoter ist eben weder ein Mensch noch eine Sache, sodass man im Grunde nur gegen die Grabstätte oder den Friedhof eine Straftat begehen kann. Sollte aber ein strenger Richter die Verhandlung führen und wie in Rumänien eine Haftstrafe in Aussicht stehen, so gibt es nur noch einen Ausweg, den sogar Jurist Steiner zwar unwillig, aber doch immerhin erwägt, nämlich die Ausflucht, man habe das Unrecht wegen einer seelischen Störung nicht erkennen können:
»Hoffentlich bleiben wir für alle Zeit von Vampirwahnwitzigen verschont. Sollte das aber nicht der Fall sein, so werden sie vor Gericht nicht mehr ohne Weiteres mit den Einwänden Gehör finden, sie hätten die Tat nicht als beschimpfend erkannt, sie hätten im Glauben an die Existenz von Vampiren in der Absicht gehandelt, einem geliebten Toten die ewige Ruhe zu verschaffen, nebenbei auch in dem berechtigten Selbstschutz, sich und ihre Angehörigen vor dem Vampir zu retten. Die Täter werden Rechenschaft darüber abzugeben haben, wie sie zu diesen Meinungen gekommen sind.
Heute, in der Zeit der erwachten und gestärkten Vernunft und bei der Erkenntnis der Pflicht zur Heilighaltung der Würde der Toten und ihrer Ruhestätte, werden sie, wenn sie als vernünftige Menschen erscheinen wollen, nicht mit Erfolg in Abrede stellen können, dass das Abschneiden des Kopfes einer Leiche und das Aufwühlen der Beisetzungsstätte zu einem solchen Zwecke ein schwer beschimpfendes Gepräge hat. JederMensch weiß das heute oder muss es wissen, und den Vampirjägern wird der ihnen obliegende Nachweis, aus einem unverschuldeten Irrtum das alles nicht gewusst zu haben, nicht gelingen, und sie müssen daher wegen vorsätzlicher Tat bestraft werden.
Auch Angst und Furcht vor einem Vampir vermögen vor dem Gesetz ihr Handeln nicht zu rechtfertigen. Wenn ein solcher Täter sich vor Gericht aber nicht als vernünftiger Mensch, sondern als unfähig erweisen sollte, das Unerlaubte und das Beschimpfende seiner Tat einzusehen, dann bleibt als Bestimmung des Strafgesetzbuches, auf die er sich berufen kann, nur der Paragraf 51 (heute § 20/21 StGB: Schuldunfähigkeit; M. B.). Ein Vampirwahnwitziger, der nicht fähig ist, das Unerlaubte seines Tuns einzusehen, befindet sich im Reich einer krankhaften Störung seiner Geistestätigkeit.«
Wenn man bedenkt, wie viele Menschen Mitglied einer Kirche sind, »nur um auf Nummer sicher zu gehen«, wie viele Schutzengel-Figürchen in den letzten Jahren verkauft wurden, und wenn man weiß, dass Menschen sich immer noch durch Wunderheiler am Telefon gesundsprechen lassen und beim Anblick eines Schornsteinfegers ihren Blusen- oder Hemdenknopf drehen – dann fragt man sich doch, wie viel Wahnwitz nicht im Alltag und in den Köpfen von uns allen steckt und ob man Vampirjäger deswegen nicht einfach streng ermahnen, letztlich aber von dannen ziehen lassen sollte.
Armin Meiwes und unsere Denkgewohnheiten
Ein ähnlich verdrehtes Denken wie beim Leichenköpfen aus »Notwehr« steckt in der Geschichte des Kannibalen Armin Meiwes. Der Kern seiner Handlungen ist Ihnen sicher im Gedächtnis geblieben (der Täter aß eine Internetbekanntschaft auf), sodass Details hier nicht nötig sind. Stattdessen möchteich Ihren Blick auf eine Besonderheit des Falles lenken, die zeigt, dass wir nicht so aufgeklärt und wissend sind, wie wir es oft – bedingt auch durch allmächtige Ermittler in Fernsehserien – glauben. Meiwes’ Handlungen rechtlich einzuordnen ist im Grunde nicht möglich. Denn wenn es dem Rechtsempfinden auch schnurgerade zuwiderläuft, kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass die Tötung seines Opfers Bernd Brandes nichts als ein gewaltiges Missverständnis war. Dazu gleich mehr.
Denn es ist natürlich immer schwierig, den Blick auf gesellschaftlich Randständiges zu lenken und dann mit einer zwangsläufig vorhandenen diesbezüglichen Unerfahrenheit das dortige Geschehen einzuordnen. Kein gewöhnlicher Mensch kann beispielsweise den Fall Meiwes mit irgendetwas vergleichen, das ihm im Alltag begegnet. Das geht Richtern und Polizisten nicht anders. In ungewöhnlichen Fällen führen sie die Ermittlungen manchmal aus einem Blickwinkel, der den Gegebenheiten, Gewohnheiten und Regeln der betreffenden sozialen Gruppe – hier den modernen Kannibalen – nicht entspricht. Es ist nämlich keineswegs so, dass jeder
Weitere Kostenlose Bücher