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Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Radziwill, nachgemacht haben kann!«
    Die Gerichtspersonen registrierten: Die Niemann erscheine so sehr von Henriette Wilke eingenommen, dass nichts den Glauben an ihre Redlichkeit erschüttern könne. Über die Zweifel, die sie in den Gesichtern der Gerichtspersonen zu sehen glaubte, war Frau Niemann entrüstet und forderte eine Entschuldigung, weil die Ehre der Wilke dadurch gekränkt werde.
    Endlich – die Wilke hatte jetzt erst gestanden, auch sämtliche Briefe der Fürstin Radziwill und des Königs selbst geschrieben zu haben – gingen Frau Niemann die Augen auf. Mit dem Ausdruck des natürlichsten und tiefsten Schmerzes rief sie aus: »Wenn das so ist, da bin ich hintergangen. Ach Gott, ich bin um mein ganzes Vermögen betrogen!«
    Und so war es. Die unglückliche Alte war durch ihr blindes Vertrauen nicht allein um ihr ganzes Vermögen gebracht worden. Sie war nun auch auf die Mildtätigkeit genau der Verwandten angewiesen, deren Warnungen sie mit Entrüstung von sich gewiesen hatte. Sie hatte sich zudem zu einer schriftlichen Verpflichtung gegen den Möbelhändler Schröder verleiten lassen, der sie nicht mehr nachkommen konnte. Wie diese Verbindlichkeit gelöst wurde, ist nicht bekannt.
    Kaum war alles überstanden, als auch schon eine andere Frage die Gemüter in Berlin beschäftigte. Würde der König der bejammernswerten Frau Niemann, als Trost für ihre Leiden und als Belohnung für ihre mehr als loyale Aufopferung und blinde Unterwürfigkeit in seinen angeblichen Willen, ihr eine kleine Pension für die wenigen ihr noch verbliebenen Lebenstage gewähren?
    Ein Teil des Publikums hielt das für gewiss. Entsprechende Bitten wurden jedoch abgewiesen, weil das als eine Aufmunterung für ähnliche Betrügereien hätte verstanden werden können. Zudem sagte man sich, dass die Aufopferung der alten Demoiselle Niemann vielleicht gar nicht so tugendhaft war. Denn sie gab ja nicht, ohne an das Nehmen zu denken. Dass der Justizminister ihr zwölf Prozent für ihr Kapital bewilligt hatte und der König bei der Rückgabe es mehr als verdoppelnwollte, hatte der Liebe zu ihrem Land und der treuen Hingabe zum König offenbar nicht widersprochen.
    Was die Niemann zu ihrer Verteidigung vorbrachte, war einfach und naheliegend. Sie hatte weder die Handschrift des Königs noch die der Fürstin Radziwill je gesehen. Sie hatte kein Misstrauen gegen die Wilke, die ihr, der mütterlichen Freundin und Wohltäterin, zu innigstem Dank verpflichtet sein musste. Ihr vor fürstlichen und königlichen Personen in Ehrfurcht erstarrendes Gemüt hielt es für absolut unmöglich, dass jemand, und am wenigsten ein so junges, unschuldiges Mädchen, es wagen könne, die Handschrift ihres Königs nachzuahmen, ein solches Majestätsverbrechen zu begehen.
    Sie berief sich ferner darauf, dass sie sich nie um Staatsangelegenheiten gekümmert, nie etwas von den einschlägigen Verhältnissen gewusst habe und dass die Wilke nie verlegen gewesen sei, sondern stets mit der größten Bestimmtheit und Sicherheit ihre Angaben gemacht habe, auch dass sie auf die mehrfachen Verdächtigungen durch die Verwandten der Niemann und andere nie die geringste Verlegenheit gezeigt, sondern immer mit völliger Ruhe geantwortet habe. Da ihr die tiefste Verschwiegenheit zur heiligsten Pflicht gemacht war, konnte und mochte sie mit niemandem darüber sprechen; und so war es möglich, dass sie so lange in ihrer Täuschung verharren konnte. Auch gab es keinen Grund, gegen ihre Gesellschafterin Alfrede einzuschreiten. Auch sie war befangen von Henriettes angeblicher Redlichkeit.
    Nur Henriette Wilke blieb als Schuldige übrig. Alle Spuren auf Mitschuldige deuteten ins Leere. Alles, was sie war, war sie durch sich selbst, alles, was sie erreicht hatte, verdankte sie ihrem eigenen Genius.
    In einem seidenen violetten Kleid, bunt gesäumten Atlastuch und feinen weißen Strümpfen wurde Henriette Wilke ins Stadtvogteigefängnis eingeliefert, dieselbe, die wenige Monate vorher mit vier Pferden in Karlsbad eingezogen war und durch ihren Luxus, ihre Ausgaben und Vergnügungspartiendie reichsten und vornehmsten Besucher des Badeorts ausgestochen hatte, in deren Gesellschaft umherzufahren angesehene Fremde sich zu Ehre und Vergnügen rechneten. Einige Aktenblätter weiter, wo ihre kostbare Kleidung verzeichnet steht, finden wir schon ihre Bitte um etwas neue Wäsche; aber der Bericht zählt so weniges Weißzeug als in Beschlag genommen auf, dass man vermuten muss, sie habe,

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