Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
eingemachte Forellen nach Berlin mitbringen, sonst aber nichts: Ihre Verwandten und Freunde hätten schon genug von ihr erhalten.
Dafür aber überschüttet sie ihre teure Niemann mit Erzählungen, Klatschereien und Liebesbeteuerungen. Wie nur ein liebenswürdiges, unschuldiges Mädchen, das zum ersten Mal auf Reisen ist, berichtet sie alles den Lieben nach Hause oder lässt es durch die Gesellschafterin schreiben. Noch das Geringste ist ihr von Wichtigkeit, sie erzählt die Sagen und Märchen des Karlsbader Tales. So, wie sie von den anderen Glauben fordert, erscheint sie selbst gläubig. Man könnte an eine Romanschreiberin denken. Vornehme Bekanntschaften macht sie auch dort: Die Tochter der Herzogin von Berry hat ihr dauernd Kusshände zugeworfen, dieser und jener Prinz war erfreut, sie zu sehen und zu sprechen, und leider musste sie nur aufpassen, nicht dem lieben »Papa« um den Hals zu fallen, der gerade in Teplitz weilte.
Die Geldbedrängnis des Königs wurde immer größer, das Geld immer knapper. Die dreiundsechzigjährige Magd der Niemann hatte noch ersparte zweihundertfünfundsiebzig Taler in Staatsschuldscheinen. Befragt, ob sie diese gegen guteVerzinsung und eine angemessene Belohnung dem König leihen wolle, willigte sie gern ein. Eine Köchin sollte die Ehre haben, ihrem König Geld zu leihen, und dabei noch gewinnen! Warum sollte sie das nicht wagen, was ihre Herrschaft mit solcher Bereitwilligkeit tat?
Sie wurde mit dem Gelöbnis tiefster Verschwiegenheit in das Geheimnis eingeweiht. Zudem musste sie der Wilke Geld borgen, etwa dreißig Taler von ihren Ersparnissen. Zuletzt musste Frau Niemann sich alles Geld von ihrer Gesellschafterin und ihrem Diener leihen. Bei ihrer Verhaftung fand man nicht einen Taler bares Geld vor.
Inzwischen war die Angelegenheit mit dem Möbelhändler in Gang gekommen. Um Neujahr 1836 teilte Henriette ihrer mütterlichen Freundin mit, dass der König die Absicht habe, dem Möbelhändler Schröder ein Kapital von acht- bis zehntausend Talern vorzuschießen, damit dieser imstande sei, die Ausstattung für den Prinzen von Hessen-Darmstadt vorzunehmen. Der König wollte das nicht in eigenem Namen machen und wünschte, dass seine immer bereite Freundin, die Niemann, ihn vertrete. Die loyale Untertanin war auch dazu bereit, obgleich sie nicht einmal eine schriftliche Zeile vom König erhielt; sie war der festen Überzeugung, die Wilke sei der Mund des Monarchen.
Die weiteren Verhandlungen gingen so vor sich, wie sie nach den Angaben Schröders erzählt sind. Er konnte das Geld nicht bekommen, er musste erst fünfhundert, dann noch zweimal fünfhundert und endlich hundert, also zusammen tausendsechshundert Taler, vorschießen, damit der König seine versetzten Pfandbriefe einlösen konnte! Davon war die Niemann fest überzeugt. Sie selbst erhielt die ersten tausendfünfhundert Taler aus Schröders Händen, quittierte sie und übergab sie Henriette, die sie dem König in den Palast überbrachte. Dass sie wirklich dorthin gehen würde, stand für Frau Niemann außer Zweifel. Aber der König löste die Pfandbriefe nicht ein und zahlte nicht. Schröder wurde mit seinem Drängensehr unangenehm, aber gleichzeitig war es Frau Niemann zur heiligen Pflicht gemacht worden, den wirklichen Kreditgeber nicht zu verraten.
Henriette vertröstete Frau Niemann von Tag zu Tag und behauptete, dass das Geld für Schröder demnächst vom Palais eingehen werde. Als indes die Ungeduld der unglücklichen Alten, die nicht allein die erhaltenen tausendsechshundert Taler quittiert hatte, sondern auch der schriftlich versprochene Geldbetrag immer größer wurde, sagte die Wilke, sie wolle ihrer Freundin helfen.
Sie ließ sich die verschlossene Mappe des Königs geben – die doch nur der Kammergerichtsrat Ballhorn öffnen sollte –, schloss sie auf, nahm ein Paket heraus, das sie mit fünf Siegeln und der Aufschrift versah: »Zehntausend Taler in pommerschen Pfandbriefen für Herrn Schröder in Berlin«.
Dieses Paket, von dessen Inhalt Frau Niemann fest überzeugt war, wurde dem Möbelhändler zuerst gezeigt, dann von der Wilke ausgehändigt und ein Termin zur Öffnung ausgemacht, der aber immer weiter hinausgeschoben wurde.
Erst am 5. April, dem letzten Termin, kam die Wilke mit einer seltsamen Äußerung zur Niemann: Seine Majestät der König sei im höchsten Grade erzürnt gewesen, dass sie, die Wilke, jenes Paket dem Schröder überliefert hätte. In diesem Paket befänden sich nämlich
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