Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
leere Papiere und nicht Pfandbriefe.
Seine Majestät hätten beabsichtigt, an die Stelle der leeren Zettel Staatsschuldscheine zu legen. Er wäre nun besorgt, dass sein Name beim Öffnen des Pakets in ein schlechtes Licht gerückt werden könnte. Nun käme alles darauf an, Herrn Schröder zu bewegen, dass er noch bis zum 9. April warte, bis dahin werde der König gewiss das Geld auftreiben.
Aber Schröder ließ sich ebenso wenig überreden, wie die Niemann in ihrem festen Glauben erschüttert wurde. Schröder erstattete, nachdem er noch einmal zu einem letzten Versuch nach Charlottenburg gekommen war und wenigstens ein letztes schriftliches Anerkenntnis des Schuldverhältnisses vonder Niemann ertrotzt hatte, bei der Polizei Anzeige – und das Ungewitter brach los.
Polizeirat Duncker erschien plötzlich in Charlottenburg. Die Wilke hätte, wenn sie nachgedacht hätte, darauf vorbereitet sein müssen. Aber nichts davon. Als gedankenloses Kind des Augenblicks überließ sie sich dem Moment und seinen Eingebungen, aber ihre Fantasie ließ sie nun im Stich.
Zu diesem Zeitpunkt war der Polizei nur der Betrug an Möbelhändler Schröder bekannt. Wie die Sache lag, erschien die alte Demoiselle Niemann als wissentliche Betrügerin, ja sogar als Haupttäterin. Henriette Wilke und die Gesellschafterin Alfrede erschienen nur als Helferinnen. In den Befugnissen und gewissermaßen auch in der Pflicht des Polizeibevollmächtigten hatte es also gelegen, alle drei Personen zu verhaften, um der Sache auf den Grund zu gehen. Es gehörte Dunckers psychologischer Scharfblick dazu, hier richtig zu entscheiden und, indem er die eigentliche und allein Straffällige zum Geständnis nötigte, zwei durch ihre Leichtgläubigkeit schon hart gestrafte Frauen vor einer Festnahme zu bewahren.
Die Wilke leugnete, schwankte aber. Frau Niemann verteidigte ihren Glauben sowohl der Polizei als den Gerichten gegenüber. Duncker sagte der alten Dame auf den Kopf zu, dass sie betrogen worden sei und dass er sie verhaften müsse, wenn sie weiter schweigen wolle.
Sie erwiderte: »Man mag mich für eine Betrügerin halten; ich weiß, ich bin es nicht. Man mag mich ins Gefängnis bringen, und es schmerzt mich sehr, meine äußere Ehre gefährdet zu sehen, ich lasse mich aber getrost verhaften. Ich werde mein Geheimnis nicht verraten, ich darf es nicht, und wenn es auch mein Leben kosten sollte.
Sie, Herr Polizeirat, scheinen ein guter Mann zu sein und versichern mir, Sie könnten nicht anders handeln. Ich will aber wünschen, dass Sie später selbst nicht bereuen, was Sie an mir tun, und dass Sie sich nicht schaden.
Ich weiß, dass ich wieder zu Ehren komme, ich habe einenBeschützer und Erretter, den ich nicht nennen werde, der aber meine Befreiung gewiss in wenigen Tagen erwirken kann und wird.«
Henriette Wilke hatte die Frechheit, in Dunckers Gegenwart darauf zur Niemann zu sagen: »Sie müssen am besten wissen, liebe Niemann, ob Sie Ihr Geheimnis dem Herrn Polizeirat offenbaren dürfen. Es tut mir leid, dass Sie zu mir nicht offen genug gewesen sind, um mich in den Stand zu setzen, selbst zu wissen, was ich sagen kann und soll.
Hätten Sie mir doch gleich gesagt, was Sie vorhatten, wie viel Gelder Sie besaßen und woher Sie dieselben bekommen haben!
Nun habe ich immer nur nach Ihrem Willen gehandelt und kann deshalb selbst über nichts weiter Auskunft geben.«
Die Niemann erwiderte darauf: »Sei ruhig und ängstige dich nicht, mein Kind; ich verrate nichts und bewahre unser Geheimnis.«
Henriette Wilke war nicht so stark; sie legte schon vor dem Polizeirat ein ziemlich vollständiges, außergerichtliches Geständnis ab. Er veranlasste darauf noch am selben Tag eine gerichtliche Vernehmung der alten Niemann. Auch hier erklärte sie zuerst: »Wo ich mein Geld habe, ist ein Geheimnis, welches ich nicht verraten darf.« Erst auf die eindringliche Erklärung des Richters, dass ihr Geheimnis nicht aus den Akten dringen werde, erklärte sie zitternd: »Ich habe es dem König in Verwahrung gegeben. Er hat zwölftausend Taler durch Henriette Wilke von mir fordern lassen. Henriette Wilke hat Seiner Majestät das Geld persönlich auf seinem Palais übergeben.«
Hierauf folgte die gesamte Geschichte, die wir schon kennen. Frau Niemann schloss mit den Worten: »Ich bin ganz fest von der Redlichkeit der Henriette Wilke überzeugt, weil es unmöglich ist, dass sie die Handschrift von so hohen Personen, wie Seiner Majestät des Königs und der Fürstin
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