Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
Rückzahlung, mehrmals, auch recht kurz und dringend. Wir lesen, dass der König sich daraufhin selbst als unwürdigen König bezeichnet, für den Fall, dass es zu weiteren Verzögerungen kommen sollte. Aber die Schuld lastete schwer auf ihm: Er konnte nur vertrösten.
Endlich erhielt Frau Niemann vom König durch die Wilke eine verschlossene Mappe mit dem dazugehörigen Schlüssel, in der sich ihr Geld in Form von Schuldscheinen befinden sollte. Zugleich wurde sie angewiesen, sich ja nicht zu wagen, die Mappe zu öffnen, bevor der König es ihr erlaube. Er werde deshalb den Kammergerichtsrat Ballhorn zu ihr schicken, aber der Kammergerichtsrat Ballhorn wurde krank, und so verzögerte sich auch der ersehnte Zeitpunkt von Woche zu Woche.
Demoiselle Niemann hatte ein starkes Vertrauen und war nicht von weiblicher Neugier geplagt wie König Blaubarts Frauen. Obgleich sie den Schlüssel in Verwahrung hatte, obgleich die Wilke ihr gesagt hatte, sie werde sich überrascht finden, wenn sie die Mappe öffne, denn der König habe sie königlich für ihr Vertrauen belohnt, und anstatt der neunzehntausend Taler, die sie im Ganzen dem Staat geliehen habe, werde sie gegen fünfzigtausend Taler in Papieren finden, widerstand sie der Versuchung und öffnete sie nicht.
Der Luxus und Aufwand, den die Wilke trieb, stach sehr auffällig von dem bescheidenen Haushalt der alten Dame ab. Aber dies konnte das Band der Eintracht zwischen beiden nicht stören. Die Niemann war so durch das Glück bezaubert, das ihren Liebling Henriette hob und trug, dass sie auch ihrerseits alles tat, ihr das Leben angenehm zu machen. Sie glaubte zudem, dadurch ihrem König gefällig zu sein…
Es kam ihr nie in den Sinn, dass Henriette den Aufwand mit ihrem – der Niemann – Geld bestreite. Sie war mit allem zufrieden, sie glaubte alles, was Henriette ihr sagte, sie folgte ihr in unterwürfiger Befangenheit in ihren wechselnden Angaben über den Quell ihres Vermögens.
Anfänglich glaubte sie, dass Henriettes Geld von den Geschenken des Grafen Villamor herrühre, auch von einem Lotteriegewinn, den Henriette in Hamburg gemacht haben wollte; später hatte sie es von »Mama«, dann von »Papa« erhalten.
Das war auch nötig, denn mit einem Mal schienen die Heiratspläne mit dem Grafen Villamor in den Hintergrund zu treten. Er zögerte vielleicht zu lange, Brasilien war ihr zu fern, und sie hatte einen neuen Bräutigam, einen Adjutanten des Königs, den Grafen von Witzleben, eine Partie, mit der der König anfänglich sehr zufrieden war. Sie blieb ja im Lande und in seiner Nähe. Sie hatte schon kostbare Ringe mit dem Grafen gewechselt, die sie der alten Dame zeigte.
Nur die Fürstin Radziwill war, wie aus einem ihrer Briefe zu ersehen, mit der Partie nicht einverstanden. Es heißt darin: »In Henriettes Verlobung willige ich nicht ein, wie Sie schon wissen werden. Ich habe einen Besseren für Henriette. Tun Sie mir den Gefallen und verwahren den Ring noch acht Wochen.« – Später ging diese Verlobung auseinander, weil der Graf von Witzleben sich eines Hochverrats schuldig gemacht hatte!
Die Niemann glaubte alles – auch dass ihr König, der bekanntlich in seinen Privatfinanzen stets sehr wohl arrangiert war, immerfort Geld bedurfte, dass er es, um der Elberfelder Versicherungskasse beizuspringen, nötig habe, eine Privatperson anzusprechen, dass er nie sein Wort halten konnte, das Geliehene zurückzuerstatten, dass es ihm nicht einmal möglich war, die Zinsen aufzubringen.
Ja, sie glaubte, als sie wenigstens auf die Zinszahlung heftig drang, dass Henriette nun ein Recht habe, das zu tun, was Frau Niemann selbst streng untersagt war: Henriette öffnete jetzt mit dem Schlüssel die geheimnisvolle Mappe und nahm einPapier, angeblich im Wert von tausend Talern, heraus, um es zu Bargeld zu machen. Frau Niemann blieb bei diesem Glauben, auch als aus dem Umtausch in Bargeld und der Zinszahlung nichts wurde.
Während der alten Dame so langsam das Geld knapp wird, fährt das Glückskind mit vier Pferden, einer Gesellschafterin und Bediensteten in den böhmischen Bädern umher und machte Ausflüge nach Prag. Ihre Briefe atmen Seligkeit über das freie, wonnige Leben.
Sie macht angesehene Bekanntschaften, sie sieht und besucht alles, kauft ein und genießt das Leben wie die sorgenfreieste Person der Welt. Geschenke werden gekauft, Einrichtungen für ihre Wohnung bestellt. Der Mělníker Wein schmeckt ihr besonders, sie will davon einige Flaschen sowie
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