Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
jetzt verblute. Das Wasser in der Badewanne war auch ganz rot.
Schweigen
Die ekeligen Klamotten habe ich zu einem Knäuel gemacht und bin dann in mein Zimmer gegangen. So gegen sechs Uhr morgens kam meine Mutter in mein Zimmer, weil ich ja eigentlich zur Schule gemusst hätte. Sie fragte nicht, was passiert ist, nahm die Klamotten und sagte nur: ›Kein Wort zu niemandem. Zerstöre die Familie nicht.‹ Das hat sie tagelang zu mir gesagt. Sie hat bis heute nicht gefragt, was in der Nacht passiert ist, und sie hat es auch nicht erfahren, weil ich es nur zwei Menschen erzählt habe. Einer von ihnen bist du.
Ich hatte zwei Jahre vorher, also mit zehn, einen Fahrradunfall. Ich bin einen Hügel runtergefahren und habe dabei auf die Vorderbremse gedrückt, deshalb hat sich das Fahrrad überschlagen. Meine Mutter sagte nun: ›Wir sagen einfach, dass du wieder einen schlimmen Fahrradunfall hattest.‹ Ich wollte mich dagegen nicht wehren, ich wollte nur meine Ruhe. Allein konnte ich auch nicht zur Polizei gehen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, weil die Wache drei Orte weiter war. Einer meiner Onkel ist Polizist – dem konnte ich aber auch nichts sagen, weil meine Mutter es ja verboten hatte.
Seitdem konnte ich nicht mehr schlafen. Wenn ich die Augen zumachte, habe ich sofort das Gesicht gesehen. Wenn ich doch mal einschlief, erlebte ich immer das ganze Programm (der Vergewaltigung; M. B.).
Ich lag also im Bett und wollte gerne tot sein: Da stehen die nämlich in dem Dorf drauf, auf Beerdigungen. Bei Beerdigungen weint meine Mutter auch immer ganz bitterlich. Dabei ist sie in Wirklichkeit eher kaltherzig.
Mir ist jetzt ganz schlecht, ich muss hier mal eine Pause machen und einen Tee trinken. Es kann passieren, dass ich jetzt gleich einen Hautausschlag kriege, so juckende, ekelhafte Flecken, die gehen aber wieder weg, wenn ich mich beruhige.
Versteckspiel
Wenn ich heute träume, dann bin ich wieder das Kind von damals. Es geht mir aber bei vielen Dingen so, dass ich mir alles genau vorstelle. Manche Leute können sich ja an Dinge mehr allgemein erinnern, ohne sich die Einzelheiten so genau vorzustellen. Das kann ich aber nicht. Mir wird beim Träumen schlecht wegen dem Ekel. Ich kriege Herzrasen und immer dieses Gefühl, wann ist der endlich fertig. Früher habe ich oft geträumt. Erst als ich mit achtzehn aus dem Dorf wegzog, wurde es besser. Ich konnte bestimmt fünfzehn Jahre lang nachts nicht schlafen, deswegen arbeite ich jetzt einfach nachts. Ich hatte aber auch tags immer Angst.
An das Schweigen habe ich mich schnell gewöhnt – so wie es meine Mutter wollte. Auch von meinem Vater wurde ich erst einmal ferngehalten. Er war oft auf Montage und wollte uns ein schönes Leben bereiten. Ich war sein Lieblingskind, und ich wollte immer in seiner Nähe sein. Deswegen war die Zeit nach der Vergewaltigung auch so schlimm. Er hat die ersten zwei Jahre nach der Vergewaltigung nichts gemerkt. Danach dachte er, ich wäre einfach rebellisch, und wollte das mit Hausarrest regeln. Die Verletzungen konnte er nicht sehen, weil ich mit zwölf schon zu alt war und mich da nicht mehr nackt vor ihn hingestellt habe. Ich dachte natürlich immer, jeder sieht mir an, was passiert ist. Das war aber nicht so.
Einige Tage später musste meine Mutter mit mir aber doch zu diesem Volltrottel von Arzt gehen. Das kam so: Donnerstags guckten wir immer zusammen eine Rätselshow im Fernsehen. Ich lag aber im Bett und kam nicht. Da machte mein Vater Druck. Meine Mutter versuchte nun, es ganz geschicktanzustellen. Sie ging mit mir im Halbdunkel von hinten zum Sofa.
Die Wunde im Bein blutete aber immer noch, und auch Eiter kam da raus. Ich hatte sie ja selbst verbinden müssen. In der Hose war also ein riesiger Fleck. Mein Vater hat ihn gesehen und ist ausgerastet. Ich bin gleich wieder in meinem Zimmer verschwunden, aber meine Mutter musste ganz schön was aushalten. Er hat rumgebrüllt und die Sachen vom Tisch geworfen, zumindest hörte sich das so an. Dann kam er mit seinem Verbandskasten. Das wäre der Moment gewesen, wo ich etwas hätte sagen können. Ich habe aber nichts gesagt, weil meine Mutter es mir ohne Unterbrechung Tag und Nacht eingetrichtert hatte.
Am nächsten Tag schickte mein Vater uns zum Arzt. Aber der Trottel sah nichts. Ich dachte, der weiß jetzt Bescheid. Er guckte aber nur auf die tiefe Wunde und meinte: ›Ha, da kann man jetzt nichts mehr machen.‹
In den folgenden Tagen sagte er dann noch so nette Sachen zu mir
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