Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
nicht mehr abhängig. Schlucken Sie mal einen Tag meine Medizin. Es ist nicht gerade wenig. Sie würden wohl einen ganzen Tag durchschlafen…
Neu: Die Hormontabletten sind so lange abgesetzt, bis die Tests, Voruntersuchungen, beginnen, da man dort mich mit Sicherheit als »naturrein« testen möchte. Interessant: Setzt man diese Tabletten ab, müsste ich, logisch gedacht, wieder so »bösartig« sein wie früher. Das trifft aber nicht zu. Ich habe es nicht schwerer, Fantasien oder dergl. fortzuschieben, die »böse« sind, und es ist leicht. Es tritt ja fast nicht mehr auf, ob mit, ob ohne Tabletten.
»Ändern« können die Tabletten nichts, nur dämpfen. Logischer Schluss: Also muss ich mich selber geändert haben, gebessert haben. Ich werde Sie nicht fragen, ob Sie mir glauben. Das war mein Fehler. Sie können es ja gar nicht beurteilen, ergo kann ich es von Ihnen nicht erwarten. Sie haben recht!
Über unseren Arzt kann ich nur wenig sagen; allein darum: krank, Urlaub, wieder krank. Bei allem Streit, den wir manchmal hatten: Ich mag ihn trotzdem, er tut mir leid, und bei seinem Aussehen (Einfallen des Gesichtes) habe ich die Befürchtung, dass es etwas Ernstes ist. Wir hatten also wenig Gelegenheit, miteinander zu reden. Fast keine.
Die Psychologin unseres Hauses macht die Einzeltherapie weiter. Gesagt werden darf nichts darüber, aber ich bin fast glücklich, dass es sich so gut anlässt. Eine gute Nachricht, oder?
Ja, die Operation. Eine Zusage , ja, endlich. Fest steht sogar schon, dass ich dorthin verlegt werde. Wann, ist ein Geheimnis. Aber wie lange haben wir darauf gewartet! Es ist Glück im Unglück. Aber Sie kennen ja die Justiz. Das geht alles recht langsam. Freuen Sie sich mit mir über die Zusage? Die Ärzte hier würden nicht so drängen, wenn sie nicht viel Hoffnung darauf setzen würden, oder? In diesem Jahr, das ja praktisch vorbei ist, aber wohl noch nicht. Okay? Okay.
Ihren letzten Brief habe ich an meine Eltern gesandt, wie stets. Sie werden sich sicherlich sehr freuen.
So, nun muss ich für heute langsam Schluss machen.
Viele Grüße bis demnächst
Ihr Jürgen
∗ ∗ ∗
18. Dezember 1974
Mit viel Freude habe ich Ihren letzten Brief gelesen. Ich habe mir überlegt: Soll man so kurz vor Weihnachten noch schreiben? Umwerfende Neuigkeiten gibt es um diese Jahreszeit nie. Aber einen guten Freund über Weihnachten ohne Weihnachtsbrief lassen? Für mich haut das einfach nicht hin. Weihnachten ist zwar das Fest der Familie, aber Freunde sollten doch auch dann voneinander wissen. (Karte gibt’s natürlich extra!)
Ich habe viel über Ihre Formulierung nachgedacht, von wegen der Freiwilligkeit. Sie haben recht. »Einzusehen?« – Ja, würde ich sagen. Das Wort freiwillig sollte von der Anstalt zwar nicht gebraucht werden. Es ist Augenwischerei.
Sie sehen, es ist mir Ernst mit dem Auseinandersetzen mit der Sache. Ich präpariere mich. Ich versuche, so sachlich wie möglich zu sein. Einen depressiven »Knall« wird es zwar geben, das ist nicht zu verhindern, es liegt in der Natur der Sache. Aber es wird nicht so arg sein, wie es sein könnte. Allerdings muss ich sagen, dass ich von unserem Arzt bei dieser Auseinandersetzungnicht die geringste Hilfe erfahren habe. KEIN WORT. Es müsste jetzt sein, nicht nach Weihnachten.
Es geht um Vorbereitung. Meine Eltern sagten, ich solle um ein sachliches Gespräch bitten. Ich schrieb es dem Arzt. Kein Wort. Im Fachbuch, das ich gelesen habe, stand, dass wegen der seelischen Folgen nach der Operation der Kontakt mit dem Arzt besonders »eng« sein solle. Da würde ich mir wohl einen anderen Arzt suchen müssen. Ich kann wirklich im Moment gar nichts Gutes über dieses Verhältnis sagen. Dr. Teuber ist mir gegenüber derart kühl, dass er wie eine kalte Dusche, wie ein emotionaler Eisschrank wirkt. Wir wollen beide echt nichts voneinander wissen. Grund? Ich weiß keinen. Ich weiß aber, dass ich dieses Mal nicht der einlenkende Teil sein muss.
Viele Grüße von meinen Eltern. Sie waren vor einer Woche da. – Gisela hat ihr Versprechen wahr gemacht. Von ihrem Urlaub kommt sie jeden zweiten Tag. Das ist in dieser Woche Vor-Weihnacht-Zeit eine ganz große Hilfe. Und dass sie es tut. Das beweist ja wohl genug, oder!? Gisela, endlich, ist vor zwei Wochen vom Kastrations-Ausschuss per Brief vernommen worden. So weiß ich Weihnachten doch wenigstens, dass alles läuft.
Vor Weihnachten wird der Ausschuss nicht an mich selbst schreiben. Aus, na was für
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