Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
wie Du gelitten hast! Ich erfuhr, dass Du die 16000 DM [Belohnung; M. B.] bekommen hast. Meine ehrliche Meinung ist, daß Du sie verdient hast! Trotzdem solltest Du die 1000 DM zurückgeben, und evtl. noch etwas dazu tun, die Graßmanns [Eltern eines von Bartschs Opfern; M. B.] sind arm und haben selber kein Geld! Ich weiß, wo sie wohnen; da wohnen keine reichen Leute! Kannst Du mir verzeihen, Peter? Ich wünschte es mir doch so sehr, auch wenn ich es [wegen Selbstmord; M. B.] nicht mehr hören kann! Ich kann Dich verstehen, wenn Du sagst: Es war zu schlimm, ich kann nicht! Aber glaub mir, Peter, es würde mir sehr, sehr viel bedeuten! Ich hatte Dich nämlich damals schon allen Ernstes sehr liebgewonnen! Die Tatsache, daß ich Dich trotzdem getötet hätte, mag ein Beweis sein, wie stark meine Neigung mich selbst in der Gewalt hatte!«
Abb. 36: Im Gefängnis schrieb Bartsch Abschiedsbriefe an die Wand; hier derjenige an sein letztes Opfer, das überlebte. Man beachte den intensiven, für das Opfer aber absolut unangemessenen Tonfall und Inhalt. Fehlendes Einfühlungsvermögen und Mangel an wirklichem Mitleid kennzeichnen paraphile Täter. (Repro: M. Benecke)
1 Erwin Hagedorn (1952–1972) ermordete im Mai 1969 und im Oktober 1971 drei Jungen. Er wurde am 12. November 1971 verhaftet und gestand die Morde sofort. Am 15. Mai 1972 wurde er zum Tod verurteilt und durch einen »unerwarteten Nahschuss« am 15.9.1972 in Leipzig hingerichtet. Es war die letzte zivile Hinrichtung auf deutschem Boden.
2 Nach Bartschs Darstellung hatte sich ein Insasse mit der Klinge eines Bleistiftspitzers verletzt, der laut Anstaltsleitung Bartsch gehörte. Er selbst gab aber an, den Spitzer nie (von seinen Eltern) erhalten zu haben, da er von der Anstaltsleitung zurückgehalten worden sei. Folge war dennoch, dass Bartsch alle scharfen Gegenstände abgenommen wurden: »Alle meine Zaubersachen, die mir Überlebenshilfe waren, abgenommen (Karton, sechzig mal vierzig Zentimeter). Das Liebste, das ich hier hatte. Ich bin verzweifelt. Aber ich muss mich zusammennehmen. So weh es auch tut. Und es tut weh. Solches Verhalten, und mit demselben Menschen, der mir das antut, Therapie? Wohl kaum.«
Luis Alfredo Garavito Cubillos
Der pädophile homosexuelle Sadist Luis Alfredo Garavito Cubillos (geb. 25. Januar 1957) nimmt in der Kriminalgeschichte aus zwei Gründen eine Sonderstellung ein. Erstens ist die durch Skelettfunde bewiesene Anzahl seiner Opfer mit wahrscheinlich über dreihundert Leichen sehr hoch, und zweitens könnte er der erste Serienmörder sein, der seinen Lebensabend in Freiheit verbringt.
Bei den Toten handelt es sich vorwiegend um Jungen im Alter von – genau: erneut acht bis zwölf Jahren. Damit zeigt sich, dass Garavito wie Jürgen Bartsch ein pädophiler Täter ist, der sich diese Altersspanne nicht nur aussucht, weil Kinder in diesem Alter vielleicht leichter zu überwältigen wären, sondern weil diese Gruppe die einzige ist, auf die sich seine Fantasien richten. Und das ist nicht die einzige Ähnlichkeit zum deutschen Täter aus den 1960er-Jahren. Garavito ist erstens ebenfalls homosexuell, zweitens klar sadistisch und beging seine Taten drittens in praktisch allen Details wie sein deutsches Pendant. Eigentlich erstaunlich – denn beide wussten weder etwas voneinander, noch hatten sie sonst eine auffällige Gemeinsamkeit in ihrer Umwelt: anderer Kontinent, andere Zeit, anderes soziales Klima.
Garavitos Taten fanden mit rasender Geschwindigkeit zwischen 1992 bis 1999 statt. Die Leichen wurden fast alle gefunden, nachdem Garavito sie auf einer riesigen Karte eingezeichnet hatte. Auch hier gibt es eine Parallele zu Bartsch, der immer dieselbe Höhle benutzte: An mehreren Stellen in Kolumbien hatte Garavito jeweils Plätze ausgewählt, an denen er viele Kinder umbrachte. Dass er den Lageplan zeichnete und die Taten damit nicht nur gestand, sondern auch noch durch Spuren und Knochen beweisbar machte, hat einen besonderen Grund. Je mehr Leichen gefunden werden, umso größer die Chance, dass Garavito wieder auf freien Fuß kommt. Denn zum Zeitpunkt seiner Verhaftung wurde in Kolumbien dasStrafrecht modernisiert. Unter anderem wurde verboten, Strafen zusammenzurechnen. Stattdessen gibt es nur noch eine Höchststrafe im Gefängnis, die höchstens fünfundzwanzig bis vierzig Jahre dauern kann – nicht länger. Würde man am Tag der Freilassung Garavitos eine weitere seiner Leichen finden, könnte er erneut für zwanzig
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