Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
Vom Netzwerk:
einfach was werden. So,… nun muss ich für heute langsam schließen. In einer Stunde wird meine Mutter hier sein.
    Viele Grüße also bis zum nächsten Mal von
    Ihrem
    Schützling Jürgen
    ∗ ∗ ∗
    1. Oktober 1975
    Meine Kurzgeschichten werden nicht zensiert. Ich schreibe sie und sammele sie. Die meisten sind eher Novellen zu nennen. (Etwa sieben bis acht Seiten.) Sie sind allgemein gehalten, und kein Wort über meinen Fall. Sie sind fast alle sozialkritisch, gleichzeitig aber mit Unterhaltungswert. Natürlich soll mal ein Buch draus werden, irgendwann. Ich habe ein Gedicht von einem Kirchenschriftsteller mit aufgenommen, weil ich spürte, es gehört in diese Art Buch. (Mit seiner Erlaubnis, versteht sich.) Ich suche noch jemanden für das Vorwort . Aber das wird sich finden.
    Einige Themen, die ich beschrieben habe: Der Mann im Gefängnis, der seine sterbende Mutter sehen will; die alte Frau, die ins Altersheim abgeschoben wird; ein Fall von Kindesmisshandlung; der Mann, dem es unmöglich ist, zu heiraten, aus psychologischen Gründen; die Frau, die einen schweren Unfall hatte und umschulen muss; der Zehnjährige im Heim, dessen Mutter eine Prostituierte ist usw. »Lösungen« kann man nicht aufzeigen. Weil jeder Fall individuell ist.
    Aber meine Hausaufgaben für die Fernschule werden natürlich zensiert. Die Zensuren sind recht gut. Eine Drei bis Zwei wäre es in der Hauptschule. Gerade gestern habe ich wieder neun Aufgaben abgesandt. Mit meinem eigenen Stand bin ich nun bei zehn Geschichten, plus »Einleitung«.
    Zu Ihren anderen Fragen: Ob ich Weihnachten noch in Eickelborn bin, ist ungewiss. Sie wissen ja, wie unberechenbar die Planung der Justiz ist. Es können vier Wochen oder vier Monate sein. Ich selber bekäme, Justiz-üblich, erst einen Tag vorher Bescheid.
    Mein kranker Weisheitszahn ist raus… Im Augenblick geht’s wieder. Aber Sie haben recht. Es geht jetzt bergab mit den Zähnen.
    Die Abmagerungskur? Im nächsten Brief. Wir werden erst heute oder morgen gewogen. Mal sehen…
    Sonst gibt es nicht viel Neues zu berichten. Bald ist Grippe-Impfung. Gestern war Gisela da. Schon Samstag kommt sie wieder… Mein Vater wird sich in den nächsten Monaten zum Besuch fahren lassen müssen. Operation – dieses Jahr wohl nicht mehr. Es ist traurig. In der letzten Zeit habe ich sehr viel Malefiz gespielt. Kennen Sie das Spiel?
    So, nun muss ich für heute langsam schließen. Seien Sie… bis zum nächsten Mal aufs Herzlichste gegrüßt von
    Ihrem alten Jürgen
    ∗ ∗ ∗
    14. November 1975
    Der Geburtstag ist vorbei, danke für die Glückwünsche. Gott sei Dank kam ich um die Prozedur herum. Sogar zwei Zigarren bekam ich. Von Günther, der meinen Geburtstag seit zwei Jahren im Kopf behalten hatte, der über fünfundzwanzig Jahre in Anstalten herumhängt, nie entlassen werden kann (ein Tobsuchtsanfall pro Jahr, wer da gerade neben ihm steht, hat Pech gehabt, wie zum Beispiel Pfleger Schindler) und nie in Gemeinschaft kommen kann (zwei Stunden – die erste Schlägerei). Ein sehr, sehr armer, bedauernswerter Mensch.
    Er hat es wohl noch viel schwerer als wir anderen. Fünfundzwanzig Jahre Einzelzelle, da kommt einen leicht ein Gruseln an… und das im Nachthemd (andere Wäsche zerreißt er…). Aber auch ich kriege langsam das Gruseln, wenn ich an die Sache mit München denke. Bossi hat inzwischen einen »dringenden« Brief ans Ministerium (Arbeit, Gesundheit, Soziales) geschrieben. Trotzdem geht natürlich nichts vorwärts. Ich selber weiß zurzeit überhaupt nichts . Das ist fatal, psychisch, weil ich letzte Zeit sowieso zu viel ans Jahr zuvor denke, dieselbe Jahreszeit, dieselbe Kälte tagsüber, Dunkelheit morgens usw. Ja, ich denke viel zu viel an die Fehlzündung mit Homburg vor fast genau einem Jahr.
    Ich hänge zurzeit total in der Luft. Mehr gibt es da im Moment nicht zu sagen…
    Schon heute freut sich auf Sie… ,
    Ihr Sorgenkind Jürgen
    ∗ ∗ ∗
    3. Dezember 1975
    Haben Sie vielen Dank für Ihren letzten Brief, den ich gestern bekam. Ich habe mich wieder sehr darüber gefreut. Beide haben wir recht… Sie mit der Tatsache, dass ich Verwandte und Freunde habe (an erster Stelle meine Frau), die mich auch in Jahren nicht allein lassen würden. Eine Tatsache, für die ichwahrscheinlich nie genug dankbar sein werde. Auf der anderen Seite steht das Wort von Fallada: Jeder stirbt für sich allein [Titel eines Romans von Hans Fallada; M. B.], jeder ist letztlich ganz allein, was

Weitere Kostenlose Bücher