Mordsschnellweg: Kriminalstorys
Tauchstationen in der DDR vermittelt.«
»Völliger Blödsinn!«, meinte Schott. »Als die rübergingen, war ich erst Referendar.«
»Aber in der falschen Kanzlei.«
»Glaube ich nicht. Und überhaupt: Drüben haben sie was Nützliches getan. Hier aber hätten sie nicht aufgegeben, sondern weiter gemordet. Weil ihre Anführer sie sonst selbst umgebracht hätten.«
4
Draußen tauchte ein blaues Schild mit weißer Schrift auf – bald hatten sie das Kamener Kreuz erreicht. Noch ein paar Abfahrten, dann mussten sie in das Verkehrschaos des Ruhrgebiets eintauchen.
»Langsam werde ich doch nervös«, bekannte Schott.
»Wieso?«
»Der erste Auftritt in der neuen Partei, im neuen Wahlkreis – und die Leutchen sollen mich gleich zum Direktkandidaten wählen.«
Brenner zog die Schultern hoch: »Direkt kommen wir doch sowieso nicht durch. Ist reine PR heute Abend. Was dich nach Berlin bringt, ist ein sicherer Platz auf der Liste. Und den hast du.«
Er reichte Schott seinen aufgerauchten Zigarillo, damit der Freund das Mundstück entsorgen konnte. Dann sagte er: »Aber es wird klappen. Diese Provinzler sind richtig stolz, einen echten Promi küren zu dürfen.«
»Provinz?«
»Seit die Regierung wieder in Berlin sitzt, ist der Ruhrpott finsterste Provinz. Die Ruhris haben es nur noch nicht gemerkt.«
Schott drückte den Zigarillo aus und stopfte die Überreste zu den anderen in den Aschenbecher: »Nur gut, dass deine Prognosen so verlässlich sind.«
»Das ist mein Job.«
»Und das stellt dich zufrieden?«
Brenner sah ihn an.
»Ich meine: Warum gehst du nicht nach Berlin und wirst Minister?«
»Bloß nicht«, wehrte Brenner ab. »Ich habe keine Lust auf einen Platz vorne an der Rampe. Ist mir zu hell da. Nicht gut für die Augen. Darum sitze ich lieber hinter den Kulissen und ziehe an den richtigen Fäden.«
5
Der Wagen schob sich mühsam an einer Unfallstelle vorbei. Zwei, drei flotte Kilometer folgten, dann war es Zeit, Kurs auf die A 40 zu nehmen. Als das Dortmunder Nordwestkreuz hinter ihnen lag, ging Brenner wieder auf Tempo, blickte auf die Uhr und nickte zufrieden: »Es reicht …«
Er schaltete das Radio ein. Joe Cocker röchelte sein ewiges Unchain My Heart und wurde vom Nachrichtensprecher abgelöst: »In einem Vorort von Berlin ist der Bundesinnenminister ermordet worden. Kurz nach siebzehn Uhr fiel der Zweiundsechzigjährige einem Bombenanschlag zum Opfer.«
Brenner trat auf die Bremse. Zwischen zwei Lastzügen quetschte er sich auf einen Parkplatz und würgte den Motor ab. Der Lärm der Autobahn war schlagartig nur noch ein fernes Rauschen.
»Das gepanzerte Regierungsfahrzeug wurde völlig zerstört. Der Minister war sofort tot, sein Fahrer erlitt schwerste Verletzungen. Experten des Bundeskriminalamtes vermuten, dass der Wagen eine Lichtschranke passiert und dabei die Explosion der Bombe selbst ausgelöst hat. Wer als Täter infrage komme, sei noch unklar. Aber das Muster des Attentats entspreche einigen Verbrechen der früheren Rote-Armee-Fraktion …«
»Ach du Scheiße«, stöhnte Brenner. »Die gibt’s doch gar nicht mehr!«
Gelassen sagte Schott: »Wer immer es war – den Minister zu erledigen, ist logistisch und technisch eine Meisterleistung. Da waren Experten am Werk.«
»Hör auf! So etwas kann man nicht billigen!«
»Mensch, das Ding geht in die Kriminalgeschichte ein! Genau den Mann auszuschalten, der alle Terroristen am liebsten liquidiert hätte, statt sie zu begnadigen.«
»Und der Schaden, den diese Gangster anrichten? Die Bayern werden wieder nach Sondergesetzen schreien. Die braven Bürger machen sich vor Angst in die Hosen. Unter diesen Bedingungen hat ein liberaler Typ wie du in der nächsten Regierung keine Chance. Die Leute wollen nach solch einem Anschlag einen ganz harten Hund an der Spitze sehen!«
»Abwarten.«
»Außerdem: Ich habe den Minister persönlich gekannt. Du schätzt ihn falsch ein.«
»Falsch?« Schott lachte auf. »Der hätte doch das Bundeskriminalamt am liebsten zu einem neuen Reichssicherheitshauptamt umgemodelt. Auf den Datenschutz hat er geschissen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung war ihm doch nur ein Hemmschuh auf seinem Rachefeldzug.«
»Der Minister hat getan, was er für seine Pflicht hielt.«
»Pflicht?« Schott sah den Freund an. »Ein verbitterter, rachsüchtiger Mann. Er hat’s nie verwunden, dass sein Sohn bei dieser Schießerei mit den Baader-Meinhof-Leuten auf der Strecke geblieben ist. Er hätte
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