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Mordsschnellweg: Kriminalstorys

Mordsschnellweg: Kriminalstorys

Titel: Mordsschnellweg: Kriminalstorys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo P. Ard , Reinhard Junge
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Bühne.
    »Genossinnen und Genossen …«, begann er und legte eine kleine Kunstpause ein. »Hätte ich fast gesagt.«

    Zweihundert erstaunte Gesichter entspannten sich, einige Leute lachten erleichtert auf.
    »Ja, das habe ich wirklich viele Jahre lang gesagt. Aber in dieser langen Zeit hat sich meine alte Partei verändert. Sie ist so rot geworden, wie ich es nie sein wollte. Und bei der nächs ten Wahl wird sie die Quittung bekommen. Höchste Zeit, das sinkende Schiff zu verlassen, wenn man weiterhin für eine freiheitliche Demokratie eintreten will. Die kann aber nicht rot, sondern nur schwarz-rot-gold sein. Und wenn wir uns unsere Staatsflagge anschauen, wissen wir alle, worauf sich Schwarze und Rote ausruhen: auf dem Goldgelb, das uns gehört. Und wenn wir uns schütteln, fallen die anderen von ihrem hohen Ross herunter …«

    Zustimmendes Lachen, eifrige Hände. Der Einstand ist gelungen, dachte Schott. Doch bevor er den programmatischen Teil seiner Rede abspulen konnte, musste er improvisieren. Er nahm alle Fröhlichkeit und allen Optimismus aus der Stimme, denn es galt, den Ministermord zu geißeln, und Schott tat das mit bewegenden Worten. Die Betroffenheit sprang auf den Saal über, eine Minute lang standen die Leute stramm und übten sich in schweigendem Gedenken.

    Danach arbeitete er seine Stichwortliste ab: vierzig Minuten flüssiger Rede, scharf und locker zugleich, immer das Auge derjenigen suchend, die das jeweilige Thema besonders zu interessieren schien. Aber der Schlussapplaus war schwächer, als er es erwartet hatte. Was hatte er falsch gemacht?
    Als er sich setzte, suchte sein Blick den seines Freundes. Brenner saß wie immer bescheiden im Hintergrund und nickte ihm unmerklich zu.

    Die Aussprache begann. Vier oder fünf Fragen kamen aus dem Saal und Schott meisterte sie mit Wissen und Witz. Die Garde am Vorstandstisch atmete auf.
    Da trat ein unscheinbarer Mann an eines der hinteren Saalmikrofone, in der Hand einen schwarzen Kasten, offenbar ein Kassettenrekorder.

    »Herr Schott, Sie haben vorhin dargelegt, wie wichtig Ihnen das Prinzip der Gewaltlosigkeit und die Bekämpfung des Terrorismus sind. Dann werden Sie uns sicher auch folgende Äußerungen erläutern können …«
    Er drückte auf die Playtaste und hielt das Gerät ans Mikro. Ein leises Rauschen, dann eine helle, erregte Männerstimme: »Mensch, das Ding geht in die Kriminalgeschichte ein! Genau den Mann auszuschalten, der alle Terroristen am liebsten liquidiert hätte, statt sie zu begnadigen.«

    Schott saß starr. Seine Stimme, seine Worte. Wie kamen sie aus Brenners Wagen auf ein Tonband? Wie kam der Mann in den Besitz dieses Tonbands?

    »Der hätte doch das Bundeskriminalamt am liebsten zu einem neuen Reichssicherheitshauptamt umgemodelt. Auf den Datenschutz hat er geschissen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung war ihm doch nur ein Hemmschuh auf seinem Rachefeldzug.«

    Das Blut versackte Schott in den Adern. Reglos starrte er in den Saal und die Menschen starrten zu ihm herauf. Noch begriffen sie nicht, was geschah, so wie er selbst nicht kapierte, in welchem Film er gelandet war. Er spürte nur eines: Irgendetwas mit diesem Tonband stimmte nicht. Aber was?
    »Ein verbitterter, rachsüchtiger Mann. Er hätte deshalb nie Minister werden dürfen. Früher – ja, da war er ganz vernünftig. Aber seit der Geschichte mit seinem Sohn war er vom Hass zerfressen und sah überall Gespenster. Hat das BKA zum Staat im Staate gemacht. Profikiller mit Beamtenstatus herangezüchtet …«

    Kein Zweifel: Das Band war geschnitten. Aus dem Dialog war ein Monolog geworden. Brenner fehlte und es gab nur noch ihn, Schott. Und wie in Trance hörte er sich seine letzten, schlimmsten Sätze sagen:
    »Das größte Risiko für die innere Sicherheit war dieser Mann doch selbst. Wie war das noch mal mit diesen Bahnsteigattentätern? Man hatte sie wochenlang unter Beobachtung und hat sie dennoch die Kofferbomben platzieren lassen. Damit Hardliner wie er ein Alibi für ihren Staatsterrorismus hatten. Mensch, ich weine dem Kerl keine Träne nach. Der gehörte in die Klapse, aber nicht auf einen Ministersessel!«

    Schott schloss die Augen und schüttelte den Kopf, als ob er einen bösen Traum verscheuchen wollte. Aber das hier war Realität.
    Er stemmte sich hoch, sein Blick suchte Brenner, den alten Freund und Gegner, der mit siebzehn noch für Robespierre, den unbestechlichen Gerechtigkeitsfanatiker, geschwärmt hatte, aber zwei Jahre später

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