Mordsschnellweg: Kriminalstorys
Schuhwerk – die Hülle eines dynamischen Mittfünfzigers, der im Leben noch einiges bewegen konnte.
»Siehst prima aus«, bestätigte seine Frau und schob ihn zur Tür. »Viel Erfolg auch. Ich hoffe, es klappt.«
»Wird schon«, nickte er zuversichtlich.
»Und vergiss nicht, Paul zu grüßen!«
Doch Schott war schon im Nieselregen verschwunden.
2
Die zehn Meter durch den Vorgarten legte Schott im Sprint zurück. Die Beifahrertür des schwarzen Benz schwang auf und Schott saß im Trockenen, bevor der Regen sein Outfit verderben konnte.
»Grüß dich, Paul!«
»Tag, Fritz. Alles klar?«
»Eisern!«, nickte Schott. Er bugsierte die Tasche auf den Rücksitz und ließ den Sicherheitsgurt einrasten, ehe er sich dem Fahrer zuwandte: »Hör mal, Alter! Dass du mich heute nach Kettwig kutschierst, finde ich einfach klasse.«
»Keine Ursache«, wehrte Paul Brenner ab. »Das wird der wichtigste Auftritt deines Lebens. Wenn du keinen Patzer machst, bist du bald Minister!«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, seufzte Schott. »Aber ich bin mir noch immer nicht sicher, dass es klappt.«
»Alter Zweifler! Was soll schon schiefgehen? Die Große Koalition ist bald Geschichte. Wir liegen in den Umfragen so weit über zehn Prozent, dass kein Weg an uns vorbeiführt.«
»Das meine ich doch nicht. Aber kriegen wir überhaupt das Ressort? Tritt der Alte freiwillig ab? Er ist Profi, hat jede Menge Rückhalt und ist verdammt tricky.«
Brenner schüttelte den Kopf: »Nach der Wahl werden die Karten neu gemischt. Und der Alte hat sich so oft vergaloppiert – den kriegen wir locker weg. Sagt kein Geringerer als unser großer Vorsitzender.«
Schott schwieg und Brenner sah den Freund genauer an: »Was ist? Kalte Füße? Vergiss nicht – ich habe mich für dich stark gemacht.«
»Hast du«, bestätigte Schott. »Und deswegen ist das, was heute Abend passiert, auch dein Erfolg!«
»Unsinn«, widersprach Brenner, schaute in den Rückspiegel und startete den Wagen. »Du allein hast alles in der Hand …«
3
Während Brenner sie durch den Feierabendverkehr zur Autobahn jonglierte, blieb Schott stumm. Sie kannten sich seit über vierzig Jahren. In der ersten Woche am Gymnasium wegen störenden Quatschens gemeinsam in die letzte Bank verbannt, hatten sie sich angefreundet und diese Freundschaft hatte alles überdauert: die Flirts mit denselben Mädchen, die Konkurrenz bei den Wahlen zum Schülersprecher, die zwei Jahre der Trennung, als Schott Ersatzdienst schob und Brenner seinen Reserveleutnant machte, den Stress im Jurastudium und die Fehden auf den Vollversammlungen …
»Ist dir schon mal aufgefallen«, fragte Schott plötzlich, »dass wir uns noch nie im Gerichtssaal getroffen haben? Mindestens dreimal habe ich deinen Namen in den Akten gefunden und danach hätte es eigentlich passieren müssen.«
»Dafür haben wir uns politisch umso stärker beharkt«, grinste Brenner. »Ich habe deine Vereine nie gemocht.«
»Weiß ich. Aber die haben dich immer rechtzeitig umgesetzt oder befördert, kurz bevor wir in einem Prozess aneinandergeraten konnten.«
Brenner feixte und zog den Wagen auf die Autobahn. Ein dichter Regenschleier hing über der Piste. Der Mann hinter dem Steuer schaltete das Licht ein.
»Du Intrigant!«, rief Schott, dem mit einem Mal die Zusammenhänge klar wurden. »Du hast daran gedreht, du Feigling.«
Der andere wurde ernst: »Nenn es nicht feige. Das war eine Prinzipienfrage. Denn ich hätte einige deiner Klienten abgelehnt, wenn ich auch Verteidiger geworden wäre. Aber ich bin Staatsanwalt geworden. Um genau diese Typen aus dem Verkehr zu ziehen, die du vertreten hast. Einen Zweikampf vor Gericht hätte unsere Freundschaft nicht überlebt.«
»Und darum hast du dich versetzen lassen?«
»Zwei Mal. Zuletzt war es wirklich nur ein Zufall.«
Schott steckte zwei Zigarillos an und schob dem Freund einen zwischen die Lippen. Brenner lächelte, als er das Plastikmundstück spürte. Diese Sorte hatten sie schon als Schüler geraucht, wenn es etwas zu feiern galt: die erfolgreichen Schummeltricks in einer Mathearbeit, einen Sieg mit der Hockeymannschaft ihrer Penne, die Eroberung zweier hübscher Schwestern auf einer Schmusefete.
»Jeder Angeklagte hat das Recht auf einen guten Anwalt«, stieß Schott nach.
»Ja. Aber du hast am liebsten die Eiskalten genommen. Die Anführer. Wolltest eine Art linker Bossi werden. Und manche Leute glauben heute noch, du hättest einigen dieser Vögel die
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